Schmatz’ mir nicht ins Ohr und berühre nicht mein Knie!
Wenn es eine heiße Mischung aus Vorhölle und Fegefeuer gibt, sind es in unserer Familie Autofahrten. Vielleicht geht es anderen Eltern ähnlich: Ich möchte mich beizeiten wegbeamen.
Unser Auto ist normal groß für drei Kinder – sogar für drei Erwachsene – auf der Rückbank, sollte man meinen. Die Diskussion beginnt aber schon vor dem Einsteigen: Wer wo hinter oder neben wem sitzt, wird ausgiebig besprochen. Ist das geklärt, geht es ans große Platzieren. Wehe, jemand streckt ein Bein, einen Buchrücken oder einen Arm in den strikt abgesteckten, höchstprivaten Bereich – „Berühr’ ja nicht mein Knie!“.
Lärm und Langeweile
Was folgt, ist eine endlose Aneinanderreihung an Konflikten: Kind 1 findet die Musik, die gerade läuft, toll, Kind 2 kriegt davon – Zitat – „Brechreiz“. Kind 3 artikuliert sehr laut Bedürfnisse, weil es auch gehört werden will. Eine macht absichtlich ekelige Geräusche, während die andere lesen will. Dabei wird sie von der Sitznachbarin links gekitzelt, weil der langweilig ist. Essen hilft kurz, wobei es Beschwerden gibt, wenn nicht alle drei die ident gleiche Menge an was auch immer bekommen. Ja, ich habe schon Soletti abgezählt. Und: „Schmatz’ mir nicht ins Ohr!“
Gerne mit Gehörschutz
So vergehen Stunden, in denen das elterliche Nervenkostüm langsam alle Schichten ablegt und am Ende pudelnackt dasteht. Nur um dann laut ächzend zusammenzubrechen. Totale Kapitulation. Ich bin mittlerweile so arg, mir Gehörschutz zu gönnen und mich gedanklich freizuspielen. Die Möglichkeit, einfach allen dreien ein technisches Gerät in die Hand zu drücken – für das eigene Seelenheil – , habe ich bis dato abgelehnt. Prinzipien schmelzen aber im Angesicht von Fegefeuer und Vorhölle kontinuierlich dahin, meine zumindest.
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