Schon McCarthys Kür zu Jahresbeginn war rekordverdächtig im negativen Sinn: Der 58-jährige Kalifornier benötigte 15Wahlgänge, weil er dem radikalen Flügel innerhalb der Republikaner zu moderat galt und sie Zugeständnisse von ihm erpressen wollten. Jetzt bestand seine Sünde darin, dass er den verhassten Demokraten geholfen hatte, einen drohenden „Shutdown“ (Stillstand wegen Budgetstreits) abzuwenden – das gilt den glühendsten Trumpianern als Verrat.
Die Demokraten lohnten es ihm nicht, indem sie für ihn gestimmt hätten, sondern weiden sich daran, dass die Republikaner jetzt im internen Schlamassel stecken. Das nie dagewesene Chaos im Kongress jetzt? Kollateralschaden.
Worum es bei all dem nicht ging: um die Sache.
Persönliches Ressentiment steht im Vordergrund
Um die geht es in der Politik, so ist der vermittelte Eindruck, immer weniger. Im Vordergrund steht das persönliche Ressentiment und das Bestreben, dem feindlichen Lager Niederlagen zuzufügen. Haben sich nicht auch bei uns Parteien kurzfristig auf ein eigentlich unvereinbares Pack’l gehaut, wie man so schön sagt, um einen Kanzler abzuwählen (2019)? Hat nicht die SPÖ im Frühjahr alle (Klima-)Gesetze blockiert, weil sie deklariert die Teuerungsschuld der Versagerregierung anprangern wollte? Beschränkt sich die politische Kommunikation nicht auf „Sauerei“, „Extremist„ „Marxist“ bis hin zu jedem Kamel, das Kanzler sein könne?
Es muss nicht Freundschaften über Parteigrenzen hinweg geben, wie das früher einmal durchaus üblich war. Und wie es, trotz harschen Tons auch damals, den konstruktiven politischen Dialog ermöglicht hat. Aber wann gab es zuletzt den Vorschlag einer Partei, den jene im anderen Lager öffentlich als gut bewertet hätte? Wann zogen politische Kontrahenten zuletzt an einem Strang und pfiffen auf ihre Couleur? Wann realisierte ein Politiker, dass den Bürger nicht die Partei interessiert, sondern die Sache, nicht das tiefe Hickhack, sondern die Lösung?
„Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben“, sagte Kevin McCarthy nach dem Votum gegen ihn. Überzeugt tun, was man für richtig hält, statt im Grabenkampf politisches Totschießen zu üben und das Vertrauen in die Politik tatsächlich totzuschießen, das wär was.
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