Lockdown für alle? Wie ein Ausweg aussehen könnte
Daniela Kittner
15.11.21, 17:48„Wir sind besser als andere durch die Krise gekommen“: Sebastian Kurz kann froh sein, dass er nicht mehr Regierungschef ist und sich für seine Aussagen verantworten muss. Kaum jemals wurde die selbstgefällige PR eines Politikers derart gnadenlos von der – bitteren – Wirklichkeit entlarvt wie jetzt.
Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen geistert Österreich als Negativbeispiel durch die Weltpresse. Erst Korruption, dann Corona. Von wegen besser: Wie kann ein entwickeltes Land, das über genug Impfstoff verfügt, derart entgleisen?
Vieles, was wir momentan erleben, ist wirklich bedrückend. Österreich treibt auf eine Katastrophe in den Spitälern zu, man kann nur hoffen, dass das Experiment mit dem Lockdown für die Ungeimpften funktioniert. Zeit bleibt nicht viel, denn die Intensivstationen füllen sich, und die Infektionen steigen weiter. Von zehntausend Infizierten landen momentan 50 bis 100 als Patienten auf der Intensivstation. Bei maximal 800 zur Verfügung stehenden Corona-Betten naht der Tag bald, bis die ersten Kranken nicht mehr unterkommen.
Man fasst es nicht
Und was macht die Regierung in dieser alarmierenden Situation? Man fasst es nicht: sie streitet. Kanzler und Gesundheitsminister liefern sich Gefechte auf offener Bühne. Und Elisabeth Köstinger feixt ins Mikrofon: „Ich halte überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers.“ Dass die Kurz-Intima derart über einen grünen Minister herzieht, lässt auf einige offene Rechnungen schließen.
Mückstein wiederum wirkt völlig überfordert: hölzern in der Kommunikation, hilflos im politischen Getriebe. Er hat sich keine Verbündeten geschaffen und rundum alle gegen sich aufgebracht. Es war ein Fehler von Vizekanzler Werner Kogler, diese schwierige Aufgabe, die sogar einen Profi wie Anschober ausgehebelt hat, einem Quereinsteiger anzuvertrauen.
Fehleranalyse nötig - aber später
So wichtig eine gründliche Fehleranalyse sein wird – man muss sie auf nach der Pandemie aufschieben. Jetzt geht es um Menschenleben. Dessen muss sich auch die ÖVP bewusst sein. Wenn sie jetzt entgegen Expertenrat härtere Maßnahmen verhindert, dann wird sie eine Eskalation in den Spitälern zu verantworten haben.
Dabei liegt eine Lösung auf der Hand: Wenn eine pandemisch kritische Masse von ein bis zwei Millionen Menschen nicht begreift, dass man sich impfen muss, dann muss man eben mit einer Impfpflicht nachhelfen. Sechs Millionen doppelt und dreifach geimpfte Personen in ihren Grundrechten zu beschränken, weil andere Borniertheit für ein ebensolches halten, ist unzumutbar und vermutlich auch verfassungswidrig.
Also: Falls die Wissenschaft akut Einschränkungen auch für Geimpfte empfiehlt, sollte man auf sie hören. Aber das muss mit Einführung einer Impfpflicht verknüpft sein.
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