Ein russisches Gedenken in Wien, das sich bitter anfühlt

Das Russendenkmal in Wien. Dahinter die ukrainische Flagge auf die Wand gemalt.
Gedenken an Kriege und Schlachten, wo Zigtausende Menschen ihr Leben gelassen haben, sollten keine Konkurrenzveranstaltung sein: Eine, wie sie sich am Sonntagvormittag am Heldendenkmal der Roten Armee (vulgo „Russendenkmal“) abgespielt hat. Dort legte erst der Botschafter der Ukraine einen Kranz für die bei der Schlacht um Wien gefallenen Soldaten ab – zumal rund ein Fünftel der im April 1945 in Wien gestorbenen Soldaten der Roten Armee Ukrainer waren.
Eine Stunde später war es dann der russische Botschafter, der der rund 38.000 in der Bundeshauptstadt gefallenen Rotarmisten gedachte. Der Kranz der Ukrainer wurde ein wenig zur Seite gerückt. Gemeinsames Erinnern? Undenkbar in einer Lage, wo Russland gegen den Nachbarn Krieg führt.
Und dass dereinst Millionen Ukrainer, Tscherkessen, Kasachen, Russen und viele andere Soldaten der Sowjetunion alle gemeinsam im „großen Vaterländischen Krieg“ gegen die Nazis gekämpft haben, wollte sich Russlands Botschafter in Wien auch nicht auseinanderdividieren lassen. Allesamt Helden, lautet die Diktion aus Moskau: Dass die Ukrainer für ihren Teil des verlustreichen Befreiungskampfes um Österreich erwähnt werden könnten – kein Thema für ein Russland, dessen Führung in Verdrehung aller Tatsachen noch heute die Ukraine „entnazifizieren will“.
Am 13. April vor 80 Jahren, um exakt 14 Uhr, war die Schlacht geschlagen: Die Rote Armee hatte Wien von den Nazis befreit, unter extremen Verlusten – bis heute sollten alle Österreicherinnen und Österreicher wissen um dieses gewaltige Opfer, das die sowjetische Armee für die Bekämpfung des Nazi-Terrors gebracht hat.
Umso trauriger und bitterer aber wirkt ein Gedenken an die Schlacht um Wien, das quasi unter Ausschluss der österreichischen und westlichen Öffentlichkeit läuft. Bei einer Gedenkveranstaltung in der russischen Botschaft am Sonntag war kein Vertreter Wiens zu sehen, kein Repräsentant Österreichs, ebenso ließ sich kein Diplomat aus den anderen Befreiernationen Großbritannien, Frankreich oder den USA blicken.
Welch vergebene Chance, Dialoge wieder aufzubauen; welch ermüdendes Beharren auf Heldenmythen und Opferdasein, das Russland mit einem völlig rückwärtsgewandten Weltkriegsgedenken ohne Bezug zu Gegenwart kein Stück vorwärtsbringt. Russlands Botschafter verlangt in seiner Rede mehr und bessere Vergangenheitsbewältigung von Österreich, mehr Eingeständnis eigener Schuld, mehr Bewusstsein für die Opfer der Roten Armee. Nur wenige Stunden davor donnerten russische Bomben auf die ukrainische Stadt Sumy nieder: fast drei Dutzend Todesopfer. Kein Wort darüber beim russischen Gedenken der Weltkriegsopfer. Ein Gedenken, das sich im Nachhall einfach nur bitter anfühlt.
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