Luftalarm, das Feuer der Flugabwehr, Explosionen. Für viele Ukrainer – insbesondere im Osten des Landes – ist das seit mehr als drei Jahren Realität. Untertags ist vor allem in den Städten auf den ersten Blick vom brutalsten Krieg in Europa seit Jahrzehnten nicht viel zu sehen. Menschen flanieren, trinken Kaffee. Ein zweiter Blick zeigt mehr: Die durch Bretter ersetzten Fenster, die nach einer Explosion zu Bruch gingen. Die Werbeplakate der Armee. Eine Frau, die weint, weil sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhalten hat. Je näher die Front kommt, desto offensichtlicher die Gräuel des Krieges.
Gräuel, die auch die ukrainischen Soldaten bis an ihr Lebensende in ihren Köpfen haben werden. „Ich will, dass dieser Krieg bald endet“, hörte der Autor dieser Zeilen von vielen ukrainischen Soldaten. Nur um weiter zu hören: „Aber das wird er nicht.“
Verzichtete bereits auf robuste Sicherheitsgarantien
Ohne echte Sicherheitsgarantien werde es höchstens zu einer begrenzten Waffenruhe kommen, während sich Russland für den nächsten Angriff sammle, um seine ursprünglichen Kriegsziele zu erreichen. Dieses Misstrauen der Ukrainer ist nicht unbegründet – auf robuste Sicherheitsgarantien hat das Land bereits verzichtet, als es seine Atomwaffen abgab.
Die EU kann diese Garantien nicht glaubwürdig geben. Die USA haben kein Interesse daran. Gleichzeitig frisst sich der brutale, russische Abnützungskrieg langsam, aber beharrlich weiter vor, verschlingt täglich Hunderte Menschenleben – und es sieht nicht danach aus, als ob Moskau so rasch daran Interesse hat, diesen Krieg zu beenden. Denn es sind die Truppen Wladimir Putins, die die Ukraine attackieren – und die Truppen Wolodimir Selenskijs, die ihr Land verteidigen und wissen, dass sie ihren östlichen Nachbarn nicht trauen können.
Waffenstillstand?
Bliebe die Möglichkeit eines Waffenstillstands und eines „Einfrierens“ der Front, vorübergehende Anerkennung der russisch besetzten Gebiete – und eine internationale Militärmission, die die etwa 1.200 Kilometer lange Front überwacht. Hier fallen die Europäer einmal mehr weg – mangels Möglichkeiten und mangels Interesses. Trotz großer Reden scheint die „Koalition der Willigen“ (Frankreich, Großbritannien etc.) nicht einmal 25.000 Soldaten zusammenzubringen. Mindestens 75.000 wären für so eine Mission notwendig – und selbst das wäre eigentlich zu wenig. Dazu stellt sich weiterhin die Frage, wie ein Waffenstillstand mit Moskau verhandelt werden kann. Russland wähnt sich dem Sieg am Schlachtfeld trotz massiver Verluste nahe.
Eine – hypothetische – Möglichkeit wäre eine internationale Mission, die von den indischen Streitkräften geführt und dominiert wird. Eventuell im Tausch für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Zum neuen globalen Machtgefüge würde das passen. So nicht ein neuer Krieg zwischen Indien und Pakistan kommt.
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