Händeschüttler Selenskij: Austauschbar, aber unersetzlich

Er ist auf Dauertournee durch die Hauptstädte der westlichen Welt, hat so oft so vielen Staats- und Regierungschefs die Hand geschüttelt, dass es für die Nachrichtensendungen zur Routine geworden ist.
Der Landesvater im Kampfanzug ist zur Paraderolle Wolodimir Selenskijs geworden, eine Rolle, für die ihn früher nicht mehr qualifizierte, als dass er exakt diese Figur einst in einer grellen TV-Satire verkörpert hatte.
Ob man Selenskij für einen Helden halten oder ihn kritisieren will: Der einstige Spaßmacher im Präsidentenamt ist Folge eines Systems, dem seine eigenen Bürger das Vertrauen aufkündigten, indem sie genau ihn wählten. Vor allem die jungen Ukrainer erklärten damit einen Staatsapparat für politisch bankrott, der, gesteuert von den Interessen und der Willkür weniger Oligarchen, sie zwischen Russland und Europa stehengelassen hatte. Drei Jahre des russischen Angriffskriegs haben daran wenig geändert, nur dass Moskaus Würgegriff jetzt tödlich ist, buchstäblich und Tag für Tag.
Selenskij kann eigentlich nicht mehr tun, als er schon als Schauspieler tat: eine Rolle verkörpern und die Stellung halten. Hinter seinen Kritikern in der Ukraine stehen die Oligarchen, die um ihre Macht und ihren Reichtum fürchten, hinter seinen Kritikern im Ausland steht oft der Kreml, und damit auch jene Rechtspopulisten, die gerne Moskaus Geld nehmen und dafür Putin nach dem Mund reden.
Wer Selenskij Kriegstreiber nennt, ignoriert auf beschämende Weise, wer für diesen Krieg verantwortlich ist. Wer ihn Antidemokrat nennt, ignoriert, dass auch dieser Krieg zwischen der Ukraine und dem Traum vieler ihrer Bürger von der Demokratie steht. Es ist deutlich, dass Putin derzeit an keinem Frieden interessiert ist und Trump nicht gewillt, den Druck auf Moskau zu erhöhen. Das ist die simple weltpolitische Logik der Macht, mit der auch Europa konfrontiert ist.
Wir haben uns ohnehin in der eigenen Halbherzigkeit eingerichtet, haben für die Ukraine viele schöne Worte und zu wenig konkrete Hilfe parat. Europas Sanktionen bremsen die russische Wirtschaft nicht, Europas Waffenhilfe reicht gerade, um den Krieg und das Sterben fortzusetzen. Europa muss sich schon jetzt darüber im Klaren werden, was es von der Ukraine will, welchen Platz es ihr wirklich in unserer Mitte einräumen will und was es dafür bereit ist, diesem Land zu geben, aber auch von ihm zu verlangen: einen Rechtsstaat, dem sich auch die Oligarchen fügen.
Der Händeschüttler Selenskij ist weder das Problem dieses Landes noch dessen Lösung. Er ist ein Ausdruck der grundlegenden Probleme, die mit Europas Hilfe und unter Europas Führung gelöst werden müssen, wenn dieser Krieg eines Tages vorbei ist. Dann spätestens muss es auch mit unserer Halbherzigkeit vorbei sein.
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