SOS-Handzeichen einer 6-Jährigen: Stumm, aber ganz laut
Internationales Hilfzeichen für Gewaltbetroffene (Symbolbild)
Unfassbar mutig. Das kleine Mädchen, das via SOS-Handzeichen sich, seine Mutter und sein Geschwisterchen, einen Säugling, in Wien vor einer Entführung gerettet hat, lässt wohl kaum jemanden kalt. Dass das Kind bei einer Polizeikontrolle geistesgegenwärtig gehandelt hat, ringt einem Respekt ab. Zugleich macht der Vorfall betroffen – eine Sechsjährige, die stumm um Hilfe bitten kann, hat das nicht in einer für sie heilen und behüteten Welt gelernt.
Der Fall zeigt auf mehreren Ebenen, wie wichtig Bewusstmachung ist. So vieles hätte schlecht ausgehen können. Hätte das Mädchen das Zeichen nicht gekannt, hätten die Polizisten nicht gewusst, was die Kleine da mit ihren Händen macht, hätte die Mutter dann nicht ebenfalls den Mut aufgebracht, zu sprechen, dann hätte die Situation ganz anders ausgehen können. Und ja, natürlich muss man hier im Konjunktiv bleiben, die Argumentation schwächt das trotzdem nicht.
Dass es immer wieder zu Gewalt an Frauen und Kindern bis hin zu Femiziden kommt, zeigt mehr als deutlich, dass der Schritt zum Indikativ viel zu oft nicht weit ist.
Gewalt passiert oft in den eigenen vier Wänden
Das SOS-Handzeichen ist in der breiten Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Die verhinderte Entführung wird dazu beitragen, mehr Aufmerksamkeit dafür zu generieren. Gut so. Auch die Sozialen Medien, die viel zu oft mit Unsinn zugemüllt werden, zeigen sich bei der Verbreitung dieser Information von ihrer guten Seite. Das darf dennoch über zwei Dinge nicht hinwegtäuschen: Hilfe bekommt man nur dann, wenn die entsprechende Zivilcourage beim Gegenüber vorhanden ist. Und, noch wesentlicher, oft passiert Gewalt in den eigenen vier Wänden, wo ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Handzeichen unwirksam ist.
Umso wichtiger sind Anlaufstellen für Betroffene. Die 34-jährige Mutter ist im Vorfeld ebenfalls nicht stumm geblieben. Sie hatte bereits vor einiger Zeit eine einstweilige Verfügung gegen ihren Ex-Mann wegen Gewaltdelikten erwirkt. Erst kürzlich sagte Wiens Frauenstadträtin Kathrin Gaál, Ressortverantwortliche für die Frauenhäuser, dass Frauen, die Opfer von Gewalt werden, oft vorab kaum Kontakt zu Beratungsstellen hatten. Darum muss man immer und immer wieder darauf hinweisen, dass es Hilfsmöglichkeiten gibt. Verhindern kann man viele Gewalttaten dadurch nicht, aber die Selbstermächtigung fördern.
Ein Mädchen wird aus dieser Situation gelernt haben, dass man um Hilfe fragen kann und sie bekommt. Eine Mutter wird gesehen haben, dass es sinnvoll ist, sich an offizielle Stellen zu wenden. Andere werden hoffentlich ihrem Beispiel folgen, damit noch mehr Tätern Einhalt geboten wird. Denn das ist nicht die Aufgabe eines kleinen Mädchens.
In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, unter anderem Hilfe und Informationen bei folgenden Adressen:
- Frauen-Helpline: online unter frauenhelpline.at und telefonisch unter 0800-222-555
- Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF): online unter aoef.at
- Frauenhaus-Notruf: unter 057722
- Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217
- Polizei-Notruf: 133
Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Auf der Webseite finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich.
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