Massenproteste gegen rechts: Ein AfD-Verbot ist keine Antwort

An die 100.000 Demonstranten in Berlin gegen Rechtsextremismus
Mit einem lateinischen Zauberspruch wollte sich eine junge Demonstrantin am Wochenende in München die Bedrohung vom Leib halten: „Expecto patronum“ hat sie auf ihr Schild geschrieben – jenen Spruch, mit dem sich die Buchfigur Harry Potter seinen Schutz gegen das Böse herbeizaubert.
Das Böse, das Bedrohliche, das ganz und gar Abzulehnende waren für mehr als eine Million Menschen in Deutschland in den vergangenen Tagen die kruden Deportationsfantasien von Rechtsextremen und Politikern der AfD.
Ein unglaublich starkes Zeichen:
So viele Menschen protestieren, dass Demonstrationen wie in Hamburg und München wegen des Massenandrangs abgebrochen werden mussten.
Und so schnell werden sie auch nicht abreißen, die Proteste gegen die Gedankenwelt des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner und dessen jüngst propagierten Vorschlag: „Nicht assimilierte Staatsbürger“ mit Migrationshintergrund wollen er und seinesgleichen irgendwo in Afrika loswerden.
Das ist dreist, menschenverachtend, rassistisch, rückwärtsgewandt – und löst keine einzige der Herausforderungen, die Deutschland tatsächlich zu stemmen hat. So da wären: Teuerung, Klimawandel, Fachkräftemangel, eine Autoindustrie, die den E-Kurs verschlafen hat und – ja, auch – die illegale Migration.
Mit ihrer eindrucksvollen Antwort signalisiert die deutsche Zivilgesellschaft: Sie ist bereit, ihre Würde, ihren Glauben an das Recht und an die Demokratie gegen deren Feinde zu verteidigen. Die sonst meist stille Mitte der Gesellschaft meldet sich zu Wort. Und das ist gut so.
Aber: Wird es reichen, der AfD das Wasser abzugraben? Nach wie vor stehen die ganz Rechten in Deutschland in Umfragen bei 22 Prozent. Reicht es, Ex-Präsident Trump mit Klagen einzudecken, um seine Wähler abzuschrecken? Es sieht so aus, als wäre das Gegenteil der Fall: Je mehr Prozesse, desto besser gefällt sich Trump in der Rolle des Märtyrers und profitiert davon.
Der schwere Hammer
Oder doch zum schweren Hammer greifen und die AfD verbieten? Das ist in Deutschland, wo es nicht einmal gelang, die Neonazis der NPD zu verbieten, so gut wie chancenlos und auch feige. Eine Partei zu verbieten, die ein Fünftel aller Wählerstimmen hinter sich hat, ist schlichtweg undemokratisch – so lange sie sich im Rahmen der demokratischen Verfassung bewegt.
Dass unzählige Deutsche bereit sind, sich den menschenverachtenden Ideen der AfD entgegenzustellen, haben sie bewiesen.
Der nächste Auftrag geht jetzt – und das gilt in Österreich gleichermaßen – an die Regierung, die Opposition und überhaupt alle demokratischen Parteien:
Sie sind es, die Lösungen bieten und mit vorwärtsgerichteten Programmen kommen müssen. Dann besteht weniger Gefahr, sich von den wirren Lockungen rechtsextremer Rassenfantasien verführen zu lassen.

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