Reicht die Energie zur Energiewende?
Bernhard Gaul
18.02.24, 18:00In kaum einem anderen Bereich ist in den vergangenen Jahren so viel weitergegangen, wie bei der Energiewende, bei der es um die Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren und nachhaltigen Energielösungen geht. 2023 waren bereits 87 Prozent des in Österreich produzierten Stroms aus grünen Kraftwerken. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um neun Prozent. Und gleichzeitig war Österreich übers Gesamtjahr gesehen Stromexporteur.
Das sind extrem beeindruckende Zahlen – damit liegen wir in der EU auf einem Stockerlplatz. Der PV-Ausbau läuft sowieso in Rekordtempo und 2023 war auch das historisch zweitbeste Jahr bei der Windkraft-Ausbeute.
Auf der anderen Seite ist der Gasverbrauch massiv zurückgegangen – um ein Viertel von 2021 auf 2023. Das ist eigentlich eine unvorstellbare Zahl, minus 25 Prozent in zwei Jahren. Ja, das hängt mit den hohen Preisen und den (viel zu) warmen Wintern zusammen. Aber auch damit, dass der Gaseinsatz in der Stromproduktion sinkt, Heizungen daheim getauscht werden, aber auch die energieintensive Industrie umsteigt. Zudem werden gute Antragszahlen bei der Sanierungsoffensive gemeldet.
Das Ziel der türkis-grünen Regierung für das Jahr 2030, bis dahin 100 Prozent Erneuerbare Stromproduktion zu erreichen, ist offensichtlich in Reichweite, da fehlen ja nur noch 13 Prozentpunkte.
Wenn wir wirklich erst im Herbst ein neues Parlament wählen, hätte Türkis-Grün eigentlich noch ausreichend Zeit, um die vielen ausständigen Gesetze noch zu beschließen. Die Frage ist, ob die Regierung die nötige Energie aufbringen kann. Denn etwa beim Biogasgesetz, bei dem es um einen steigenden Anteil von in Österreich produziertem Biogas im Gasnetz geht, streiten sich Wirtschaftsbund und Bauernbund. Bei allen anderen Gesetzen sind die Regierungsparteien noch teils sehr weit voneinander entfernt. Dazu kommt, dass Energiegesetze meist im Verfassungsrang stehen und damit entweder SPÖ- oder FPÖ-Unterstützung benötigen.
So lohnend das Ziel auch ist, die Wertschöpfung für die Energiebereitstellung zum Großteil im Inland zu behalten und keine Diktatoren mehr mit Petrodollars zu füttern, muss doch klar sein, dass die Reise noch lange nicht zu Ende ist. Die letzten Meter sind immer die anstrengendsten, der Strombedarf wird auch nach 2030 weiter steigen, wir werden also viel mehr Windkraft- und Freiflächen-PV-Anlagen brauchen, und wir müssen nachdenken, wie wir die Energie so effizient wie möglich einsetzen.
Denn klar ist auch, dass die Fossilindustrie im Wissen, dass die Party bald vorbei ist, längst alles daran setzt, so lange es geht und so viel wie möglich Öl und Gas und damit Treibhausgasemissionen weiter zu verkaufen.
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