Diese türkis-rot-pinke Regierung hat nichts mehr zu verlieren
Diese Woche war er also wieder da, der Kanzler. Davor konnte man die Unbarmherzigkeit in der Spitzenpolitik live miterleben. Es gab Häme und Falschmeldungen über den Rekonvaleszenten. Als „Teilzeitkanzler“, der vielleicht gar nicht mehr zurückkehre, wurde Christian Stocker denunziert. Dazu noch ein wirklicher Abgang – der von WKO-Chef Harald Mahrer – , den die ÖVP professioneller und ohne Nachtreten einzelner Partei-„Freunde“ orchestrieren hätte können.
Und jetzt? Es ist ja gar nicht so, dass nichts geschieht: Nächste Woche will die Regierung 100 Regeln zur Entbürokratisierung präsentieren. Es gibt vernünftige Neuerungen, wie die Möglichkeit zur Teilpension ab 2026 und mehr Geld für Brennpunktschulen (ob’s hilft?). Aber das im Parlament noch zu beschließende Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das plakativ „Billigenergiegesetz“ heißt, setzt wieder einmal populistisch auf Umverteilung. Auch der Mietpreisdeckel, den die SPÖ wie eine Monstranz vor sich herträgt, ist eher ein PR-Gag. Der kostet viel, nämlich Vertrauen in die Rechtssicherheit. Wenn Vermietern und Bauträgern vermittelt wird, dass sie der Klassenfeind sind, werden sie den Wohnungsmarkt nicht beleben, im Gegenteil. Auch die Antwort der Regierung auf Shrinkflation ist problematisch: Neue Regularien brauchen wir jetzt wie einen Kropf.
Schleierhaft ist ebenso, warum die Antwort auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mehr statt weniger Verwaltungspersonal bedeutet, das nicht einmal in der Lage ist, rechtzeitig die korrekten Budgetzahlen abzuliefern. Dazu noch eine im Schneckentempo arbeitende Justiz und Bürokratie, die damit nicht nur private Existenzen lahmlegen, sondern auch Fortschritt hemmen. Siehe die Umweltverträglichkeitsprüfung zur vorläufig abgesagten dritten Flughafenpiste, die ganze zwölf Jahre dauerte und nach Klagen weitere drei Jahre bis zur endgültigen Rechtssicherheit.
Unterstützung hat die Bundesregierung kaum. Die FPÖ könnte ihre unangefochtene Nummer-eins-Position für konstruktive Vorschläge statt Marktschreierei benutzen. In den Ländern schafft sie das ja auch. Die Bevölkerung ist theoretisch für Reformen, praktisch aber dagegen, wenn sie selbst betroffen ist. Das würgt jede Spitalsreform ab, und da reden wir noch gar nicht vom höheren Pensionsantrittsalter oder einer Ambulanzgebühr.
Wie groß die Zukunftssorgen sind, lässt sich an der weiter sinkenden Geburtenrate ablesen und an 330 Milliarden Privatgeldern, die (zum größten Teil niedrig verzinst) gebunkert werden. Österreich braucht weniger Armuts- und Umverteilungsdebatten, dafür mehr Ideenreichtum und Mut. Sonst sind wir eines Tages wirklich arm. Angesichts der Meinungsumfragen hat die Regierung ohnehin nichts mehr zu verlieren. Sie kann nur noch gewinnen.
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