Nach ÖVP-Bundesparteitag: Der Wunsch nach Gelassenheit

Es ist keine einfache Phase, die die Volkspartei derzeit durchlebt. Bei der Nationalratswahl den ersten Platz verpasst, in der Steiermark den Landeshauptmann verloren, in den Umfragen nicht wirklich im Aufwind. Dazu mussten bei den Regierungsverhandlungen einige Prinzipien über Bord geworfen werden, um ein Ergebnis zu erzielen.
Und dennoch herrschte beim Parteitag in Wiener Neustadt Aufbruchsstimmung und Geschlossenheit, die in so einer Situation so manchen Delegierten erstaunte. Vor allem jene, die noch die Zeiten in der Partei miterlebt haben, als eine derartige parteiinterne Gemengelage für eine Zerreißprobe sorgte. Zwischen so mancher Landespartei und dem Bund, aber auch zwischen den einzelnen Bünden innerhalb der ÖVP.
Christian Stocker: "Gelassen und besonnen"
Diesmal keine Spur davon. Man wollte nicht aufgewühlt werden. Vom neuen Bundesparteiobmann Christian Stocker wurde keine Brandrede erwartet. Vielmehr wurden Gelassenheit und Besonnenheit als Eigenschaften genannt, für die er stehe und die nun auch gefragt wären. Ein Votum von 98,42 Prozent für den neuen Bundesparteiobmann hat das dick und fett unterstrichen.
Man scheint jedenfalls von den vielen, vielen Turbulenzen der vergangenen Jahre genug zu haben. Stockers Vorgänger Karl Nehammer, dem man genug Redezeit eingeräumt hatte, um unter seinen Rückzug auch öffentlich einen Schlussstrich ziehen zu können, verwies vor allem auf den U-Ausschuss gegen die ÖVP, der seine Amtszeit neben den vielen Krisen belastete. Das hat man jetzt abgehakt, darüber will man derzeit nicht mehr reden.
Herausforderungen der Zukunft
Die Geschlossenheit wurde auch durch die Anwesenheitsliste deutlich. Im Gegensatz zur SPÖ, bei der am letzten Bundesparteitag in Graz kein ehemaliger Kanzler erschienen war, hatten in Wiener Neustadt fast alle Vorgänger Platz genommen. Bis auf Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der mit seiner Partei anscheinend noch immer nicht im Reinen ist.
Gelassenheit und Besonnenheit werden aber jetzt nicht reichen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Weder in der Bundesregierung angesichts der fehlenden Milliarden, noch in der Partei, die ja nicht nur zur Ruhe kommen will, sondern natürlich wieder nach Wahlerfolgen lechzt. Gemessen werden Christian Stocker und sein Team daran, ob sie in der Bundesregierung ihre Linie halten – ohne neue, zusätzliche Steuern. Und wie sie den bürgerlichen Markenkern der Volkspartei wieder herausarbeiten. Der ist in der Zeit der türkis-grünen Regierung ein wenig verloren gegangen. Vor allem beim Thema Wirtschaft.
Das wichtigste Ziel wird sein, die FPÖ wieder vom ersten Platz zu verdrängen. Wenn das nicht gelingt, dann wird man sich rasch wieder nach anderen Eigenschaften sehnen.

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