Warum die Neutralität für Österreich nicht wieder zur Ausrede werden darf

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In einer Welt, in der Konflikte aller Art vom Zaun gebrochen werden, denkt die EU über Verteidigung nach – Österreich sollte mitdenken.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Wer aus Altersgründen schon einige Jahrzehnte als gelernter Österreicher absolviert hat, weiß, dass auch in einem friedlichen, neutralen Ländchen mitten in Europa Militärs gerne Strategien ersinnen. Da gab es einst in den Zeiten des Kalten Krieges tatsächlich einen Plan, der sich Raumverteidigung nannte und vorsah, Ostösterreich kampflos den Russen zu überlassen und sich in den Alpen zu verschanzen.

Nach den Terrorangriffen des 11. September 2001 wurde die westliche Welt auf einmal in Afghanistan und im Irak verteidigt.

Eine wehrfähige Nation, die militärisch etwas auf sich hielt, mottete ihre Panzer und Granaten ein und bastelte kleine Elitetruppen, die innerhalb von ein paar Tagen quer über den Globus verlegt werden konnten. Heute wiederum holen wir alle diese Granaten und Panzer wieder aus den Depots, um uns damit – ein seltsames Comeback – wieder einmal gegen den Feind aus dem Osten verteidigen zu können.

Das Einzige allerdings, das in Österreich in all diesen verteidigungspolitischen Umbrüchen konstant blieb, war die ausgesprochen halbherzige Bereitschaft, diese Strategien auch nur einigermaßen in die Tat umzusetzen. Österreichs Bundesheer blieb all die Zeit ein unterfinanzierter, von teils grotesk veralteten Strukturen geprägter Apparat. Erst seit dem Ukrainekrieg wird kräftig investiert. Zum Glück konnte man früher, wenn diese Schwächen irgendjemandem hierzulande oder – noch schlimmer – anderen, befreundeten Militärs auffielen, sich rasch auf das traditionelle österreichische Leo zurückziehen. Wir rufen laut Neutralität und schon sind wir aus dem Schneider.

Jetzt also hat sich die EU und damit auch all ihre Mitgliedsländer ein grundsätzliches Nachdenken über ihre Verteidigung verordnet. Viele Militärs, vor allem aber die Vertreter der Rüstungsindustrie, haben inzwischen längst ihre Forderungskataloge gefüllt: Von neuen Panzern bis zur Luftabwehr möchte man alles haben, um für den konventionellen Angriffskrieg, den Russland in der Ukraine seit Jahren betreibt, gerüstet zu sein.

Doch die Bedrohungen sind vielfältiger, und man muss kein Sicherheitsexperte sein, um täglich vorgeführt zu bekommen, wie Manipulation von Wahlen oder das Durchschneiden von Datenkabeln im Meer von Feinden der Demokratie als Waffe genützt werden. Sich gegen diese Bedrohungen hinter nationalen Grenzen zu verschanzen, ist illusorisch. Konnte man sich einst noch einbilden, den bösen Russen in den Alpen zu bekämpfen, ist das bei einem Hackerangriff aus derselben Richtung nur noch absurd. Wenn also Europa jetzt – mit der üblichen Verzögerung – beginnt, nachzudenken, sollte Österreich mitdenken, mitmachen und bereit sein, zusammenzuarbeiten. Die Neutralität jedenfalls kann uns davon nicht abhalten, sie ist wie schon so oft, nur eine Ausrede.

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