Neos-Absprung: Ein aufgelegter Elfer für die FPÖ und Kickl

Am Ende war es wohl eine Frage der Selbstachtung, dass die Neos aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen sind. Beate Meinl-Reisinger hat zum Abschied eine ausgezeichnete (Wahlkampf-)Rede gehalten.
Man muss ihr in vielen Punkten recht geben. Zurück bleibt eine wackelige Mehrheit aus zwei Parteien, die einander in gegenseitigem Misstrauen „verbunden“ sind und nun weiterverhandeln werden. Das alles ist ein aufgelegter Elfer für die FPÖ. Hätte der Bundespräsident Herbert Kickl nach der Wahl einen Verhandlungsauftrag gegeben, hätte dieser seine Karten auf den Tisch legen und ein allfälliges Scheitern eingestehen müssen.
Jetzt kann er sich als ausgegrenztes Opfer des verachteten Establishments inszenieren, obwohl die FPÖ mittlerweile in fünf Bundesländern mitregiert. Sollten auch die schwarz-roten Verhandlungen implodieren, werden die Blauen auf Neuwahlen pochen – mit der Aussicht, noch stärker zu werden. Kickl wird nicht das Feld für jemand Konsensfähigeren an der Spitze räumen. Das hätte er ja schon bisher tun können.
Das derzeitige Dilemma ist vielleicht nur mit Rücktritten von Karl Nehammer und Andreas Babler aufzulösen. Die SPÖ ist weit nach links gewandert mit einem marxistischen Vorsitzenden, der in seinem Leben nur selten die von ihm begonnenen Wege abgeschlossen hat. Seine illusionistischen Wahlkampfpositionen gab er nie auf. Das weiß man in der SPÖ. Doch die Reißleine wagte nach der verlorenen Nationalratswahl auch die mächtige Wiener SPÖ nicht zu ziehen. Bei der SPÖ-Pressekonferenz Freitagabend präsentierte sich Gewerkschafter Josef Muchitsch jedenfalls als der authentischere Rote. Die ÖVP blickt ihrerseits auf einen schwarz-grünen Scherbenhaufen zurück (den zu erwähnen die SPÖ bei keiner ihrer Auftritte vergisst). Für die Aufräumarbeiten winkt leider kein Lorbeer. Die Einzementierung Nehammers gegen (den schwierigen, beleidigten, unkommunikativen) Kickl schränkt den ÖVP-Spielraum gegen null ein.
Vielleicht gibt es ja, polemisch gesprochen, eine gewisse Schnittmenge der Reformunwilligen bei beiden. Die ewig gleiche Rolle der Sozialpartner und der Länder, das Tauziehen im Bildungswesen, die Abwehr gegen Änderungen bei den Pensionen: Das alles, was den Pinken zu Recht Schweißperlen auf die Stirn trieb, war schon bisher Programm. Selbst wenn Schwarz und Rot wider Erwarten einen Kompromiss erringen: Wirklich haltbar ist das nicht.
Auch eine Expertenregierung ist keine gute Alternative: Sie steht nicht für Reform, sondern nur für geräuschlose Fortführung. Wahrscheinlich wird letztlich an einer blauen Regierungsbeteiligung kein Weg vorbeiführen. Der Bundespräsident wünscht sich nun "schnelle, umfassende Klarheit". Keine leichte Übung.
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