Klimaplan: Warum Gewesslers letzter Streich so wichtig ist

Klimaplan: Warum Gewesslers letzter Streich so wichtig ist
Der Klimaplan ist viel wichtiger als das Klimaschutzgesetz – und die vorerst letzte Tat von Gewessler als Ministerin, falls die ÖVP Wort hält.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

2024 dürfte das heißeste Jahr der Messgeschichte werden, gleichzeitig hat Österreich seit rund 1.325 Tagen kein Klimaschutzgesetz. Das klingt alarmierend, weil wir laut EU bis 2030 unsere Emissionen im Vergleich zu 2005 halbieren müssen. 

Ohne Klimaschutzgesetz fehlen konkrete Vorgaben, in welchem Sektor bis wann wie viel Treibhausgas eingespart werden soll. Im Idealfall würde das Gesetz so funktionieren: Sinken die Emissionen etwa im Verkehrssektor nicht ausreichend, müsste das zuständige Ministerium gegensteuern und zum Beispiel Tempolimits umsetzen.

Doch eigentlich ist das Klimaschutzgesetz vergleichsweise egal.  Es fehlt ohnehin die nötige Zweidrittelmehrheit, um Ländern und Sektoren verbindliche Vorgaben zu machen. Die ÖVP wünscht keine Verpflichtungen, die FPÖ lebt klimapolitisch in der Welt von gestern, und wie ernst man  Bekundungen der SPÖ nehmen kann, sich als Klimapartei zu etablieren, zeigen Andreas Bablers Pläne, die CO2-Bepreisung auf Eis zu legen.

Kurzum: Hätte Türkis-Grün noch ein Klimaschutzgesetz verkündet, wäre es nicht mehr als eine ideelle Willensbekundung geworden. Nett, aber realpolitisch so relevant wie der angebliche Ausstieg aus russischem Gas bis 2027. Nein, dieser wurde nicht „beschlossen“, ÖVP und Grüne schreiben ihn lediglich in ein Strategiepapier.

Keine Mogelpackung und klimapolitisch weitaus wichtiger ist der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP). Auf diesen hat sich die Koalition, nach Monaten des Streits, nun doch geeinigt. Darin erklärt Österreich gegenüber der EU-Kommission, wie es die Klimaziele bis 2030 einzuhalten gedenkt.

Im Gegensatz zum Klimaschutzgesetz hat der Klimaplan einen realen Effekt: Misslingt die Umsetzung, drohen hohe Strafzahlungen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will diese Woche Details präsentieren. Ihr Wermutstropfen: Auch im NEKP stehen auf ÖVP-Wunsch keine Sektorziele. Dafür haben sich die Grünen bei der Abschaffung klimaschädlicher Subventionen wie des Dieselprivilegs durchgesetzt – Bauernaufstände sind vorprogrammiert.

Der NEKP wird jedenfalls, wie das EU-Renaturierungsgesetz, Gewesslers Amtszeit überdauern. Und er dürfte ihr vorerst letzter Streich als Ministerin gewesen sein. Laut  Umfragen schaffen es die Grünen nur mit dem Sanctus der ÖVP neuerlich in die Regierung. Die Türkisen schließen wegen Gewesslers Ja zur Renaturierung wiederum eine weitere Koalition mit der 46-Jährigen aus und nennen sie neuerdings „Staatsgefährderin“.

Doch was geschieht, wenn sich wider Erwarten eine Dreierkoalition mit SPÖ und Neos nicht ausgehen sollte, mit den Grünen aber schon? Und die Grünen Gewessler zur Koalitionsbedingung machen? Dann muss sich die ÖVP wohl entscheiden, wer das geringere Übel ist: die „Staatsgefährderin“ Gewessler oder das „Sicherheitsrisiko“ Herbert Kickl.

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