Diese Woche wurde der Europa-Tag begangen, und es steht zu vermuten, dass das Wissen um den Anlass nicht weit verbreitet ist: die Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950 mit dem Vorschlag für eine Montanunion, Grundlage für das, was wir heute als Europäische Union kennen.
Weit verbreitet ist dagegen in Zeiten „fokussierter Unintelligenz“ (© Michael Häupl) die Schmähung der EU im Europa-Wahlkampf. Sei es seitens derer, die – jetzt aber – in Europa alles „besser machen“ wollen (Subtext: Habt’s eh recht mit eurer EU-Nörgelei). Oder derer, die mit Kriegs- und Angstsujets gegen die Union hetzen, weil sie nichts können, außer zu hetzen und schenkelklopfend die Bravo-Rufer einzufangen.
Dabei sollte eine ganz andere Angst umgehen: dass einige der letzten Konstanten, die unser Europa ausmachen, gerade dabei sind, verloren zu gehen. Eine dieser Konstanten heißt kulturelle Vielfalt auf Basis der Aufklärung und der Demokratie. Säkularismus, Meinungsfreiheit, Gleichstellung von Mann und Frau, Rechte für Minderheiten – all das prägt den Kontinent und macht sein Wertekostüm aus. Doch für einige ist das eine „Wertediktatur“.
In Deutschland gehen grölende Islamisten mit genau diesem Rülpser gegen ihr Gastland auf die Straße – die verschleierten Frauen gehen in weitem Abstand hinterher – und fordern nicht weniger als ein „Kalifat“, also die Abschaffung der Demokratie und die Einführung von Scharia und Gottesstaat. Und in Großbritannien gewannen (radikale) Muslime bei Gemeinderatswahlen von Leeds bis Peterborough Sitze und nutzten das, „das größte KZ der Welt“ in Gaza zu geißeln, während der berüchtigte Hassprediger Anjem Choudary das Ende von Demokratie und Freiheit in Europa vorhersagt.
Minderheiten unter der wachsenden muslimischen Bevölkerung in Europa? Ja, hoffentlich. Im Namen von Freiheit und Meinungsäußerung tolerierbar? Nein, und bitte bald strafbar, Abschiebung inklusive.
Die Freiheit wird gleichzeitig von Toleranz-Verweigerern und Diskurs-Analphabeten genutzt, Politiker zu attackieren – mangels verbaler und intellektueller Kompetenz mit Farbbeuteln, Schlaggegenständen, roher Gewalt, von der Berliner Ex-Bürgermeisterin bis zum sächsischen EU-Abgeordneten oder in Österreich der Verfassungsministerin. Nein, gestorben ist noch niemand, aber für vogelfrei wurden Politiker längst erklärt – allesamt korrupt, lügen, bestehlen uns und/oder setzen nicht um, was der Gesinnungs-Mob für richtig hält.
Die Politik und ihre Vertreter als respektierte Träger einer der Demokratie-Säulen? War einmal. Jetzt geht die Saat der Hetzer auf, sie wurden vorhin schon erwähnt. „Wehret den Anfängen!“ ist ein oft bemühter Ruf. Aber selten noch eindringlicher zu rufen: Keine Toleranz gegenüber denen, die die Diktatur der Intoleranz anbeten! Da wie dort.
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