Was die Störaktion bei den Festspielen bedenklich macht

SALZBURGER FESTSPIELE 2025: ERÖFFNUNG - STÖRAKTION
Nicht nur die Sicherheitslücken und die Selbstgerechtigkeit - sondern auch die Unfähigkeit, schwierige Debatten zu führen.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Schon die „Letzte Generation“ hat bei ihrem Protest bei den Salzburger Festspielen danebengegriffen. 2023 störte man die „Jedermann“-Premiere mit lauten Rufen, die auf den Klimawandel aufmerksam machen sollten. Blöd nur, dass sich die Inszenierung, die man lauthals unterbrach, ohnehin (auch) mit dem Klimawandel und seinen sozialen Auswirkungen auseinandersetzte. Und zwar auf weit weniger unterkomplexe Art. Wer die Köpfe und Herzen für das Thema sensibilisieren wollte, hätte dankbar dafür sein müssen, was da eben auf der Bühne passierte, und besser geschwiegen.

Inzwischen haben viele der ehemalig Klimabewegten – siehe Greta Thunberg – ein neues Thema gefunden. Und auch damit wurde nun bei einer Störaktion bei den Festspielen in den inhaltlichen Gatsch gegriffen. Denn dort, wo sich Stimmen der Kulturbranche zu Gaza und Israel äußern, tun sie das ohnehin im Sinne der Protestierenden – und zwar auf derart monothematische Art, dass dem Ganzen längst ein unangenehmer Beigeschmack anhängt.

Von der Documenta über das Rockfestival in Glastonbury bis zu den Wiener Festwochen – allenthalben stehen Menschen auf den Bühnen, wischen die Komplexitäten des Gaza-Konflikts, die zynischen Spiele der Hamas und die kritischen Stimmen in Israel beiseite und fordern genau das, was die Salzburger Eröffnungsstörer nun gratismutig auf die Plakate schrieben. Im besten Fall wäre das also sinnlos gewesen. 

Wer die Störaktion aber als zu akzeptierenden Protest abtut, irrt zweifach. Einerseits, weil sie wieder die beklemmende Verwundbarkeit jener Orte zeigte, an denen sich die Gesellschaft über die Komplexitäten der Gegenwart besinnen sollte – und zwar in Ruhe und in Sicherheit. Dazu zählen Kulturveranstaltungen. Wenn die ein Jahr nach der Taylor-Swift-Absage derart leicht böswillig gecrasht werden können, verdrängt das ein weiteres Quäntchen Ruhe und Besinnung aus der öffentlichen Debatte. Interne Komplizen, nur amateurhaft gefälschte Ausweise, umherirrende Sicherheitskräfte, das alles trotz anwesender internationaler Spitzenpolitik – daraus lässt sich leicht ein Bild des Horrors malen.

Und die Störaktion stellte erneut einen fatalen Mechanismus der Internetwelt ins Scheinwerferlicht: Auf Aufregung getrimmte Bilder verdrängen differenzierte Debatten. Wie existenziell bedrohlich das für die westlichen Werte geworden ist, darüber sprach Anne Applebaum, die Festspielrednerin. Der Protest war hier Störung und Beweis zugleich: Statt ein paar Minuten in Ruhe darüber nachzudenken, wie wir solchen bewusst gesetzten Bildern widerstehen können, reden wir über einen hohlen Aktionismus, der genau diesen fatalen Mechanismus ausnützt. Zustimmung ist hier wahrlich fehl am Platz.

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