Land der Gegensätze? Ja, aber Schluss jetzt mit der Unversöhnlichkeit

Die Innere Stadt ist wiederholt Schauplatz von Demos – zum Ärger der Unternehmer
Sorry, Herr Goethe: Was die Welt im Innersten zusammenhält, das weiß man immer noch nicht so ganz genau. Eigentlich genau andersrum: Man versteht es immer weniger. Denn wir leben in Schrödingers Welt (Sie kennen dessen Katze, die zugleich lebendig und tot ist?): Es ist alles gleichzeitig auch sein Gegenteil, politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich, emotional.
Das kann nicht gut gehen.
Beispiele gefällig? Es wurde zweierlei vermeldet: Dass die Preise bei den Grundnahrungsmitteln so exorbitant (und über die Inflationsrate hinaus) gestiegen sind, dass sich immer mehr Menschen ihr Leben nicht leisten können. Und dass zugleich so viele Menschen von und nach Wien geflogen sind wie nie zuvor (was, angesichts der absurden Flugpreise, finanziell erstaunlich ist). Wir haben als Gesellschaft also offenbar zu wenig und zu viel Geld zum Ausgeben zugleich.
Wir haben auch, folgt man den Debatten, gleichzeitig viel zu viele Ausländer im Land (um die Integration zu schaffen) und viel zu wenige (um die demografiegeborene Lücke am Arbeitsmarkt und in der Bevölkerung zu schließen).
Wir leben in einer Welt, in der die Menschen „nichts mehr arbeiten wollen“ – aber hochtalentierte und gut ausgebildete Menschen keinen Job finden.
Die Lohnabschlüsse waren zugleich viel zu hoch (um die lohnauszahlenden Unternehmen weiterführen zu können) als auch viel zu niedrig (um von dem Geld auf ähnlichem Niveau leben zu können wie zuletzt).
Wir haben zu viel Natur verbaut (Hochwasserschutz) – und gleichzeitig zu wenig (auch Hochwasserschutz). Es gibt eine deutliche rechtskonservative Mehrheit im Land, und diese Mehrheit beklagt, dass die Politik nach links gerückt ist. Es muss das ganze Land dringend reformiert werden, es soll aber zugleich genauso bleiben wie zuvor. Die Großparteien sind klein.
Der Klimaschutz ist zu teuer, aber billiger als die Katastrophenzerstörungsbehebung. Die Medien sollen objektiver sein – und dafür objektiv falschen Positionen Raum geben.
Klar, es war immer schon alles kompliziert, den Spruch kennt man im Land. Aber die Fliehkräfte, die Brüche scheinen – im Internet brutal verstärkt – einen bedenklichen Punkt erreicht zu haben, einen, den man mit einem demokratiepolitischen Alarmwort versehen muss: Man steht sich in seiner Wahrheit unversöhnlich gegenüber. Deswegen ist auch die Demokratie weltweit vielleicht so lebendig wie lange nicht mehr – und zugleich akut gefährdet.
Dabei sollte, könnte gerade die Politik der Ort in der Gesellschaft sein, an dem Unterschiede und Diskrepanzen geglättet, versöhnt und ausgeglichen werden – und nicht noch befördert. Die wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, zu einer gemeinsamen Wahrheit zurückzufinden.
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