Eine Politik der Zurückhaltung

TRAUER-UND GEDENKGOTTESDIENSTS AM DONNERSTAG, 12. JUNI 2025 IM WIENER STEPHANSDOM: LACKNER
Zuerst Staatstrauer, jetzt Konsequenzen. Selten zuvor wurde eine Debatte nach so einer Tragödie so zurückhaltend geführt. Von Regierung und Opposition.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Ein dunkler Schleier der Trauer ist vergangene Woche über ganz Österreich gelegen. Der Amoklauf in der Grazer Schule mit elf Todesopfern hat die öffentliche Stimmung geprägt. In der steirischen Landeshauptstadt selbst wird man noch länger nicht zur Ruhe kommen. In den drei Tagen der Staatstrauer hat sich die Politik – sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition – im Großen und Ganzen zurückgenommen und auf jegliche öffentliche Debatten zu der Tragödie verzichtet. Die FPÖ und die ÖVP haben ihre Parteitage abgesagt. Eine richtige Entscheidung.

Dabei gab es schon einige Themen, die mit der schrecklichen Tat des 21-Jährigen sofort in das Blickfeld der Öffentlichkeit gelangt sind: In erster Linie das Waffengesetz, dann der Datenschutz, der verhindert hat, dass entscheidende Informationen über den Täter zwischen Verteidigungs- und Innenministerium ausgetauscht werden konnten, oder das Fehlen von genügend Schulpsychologen. Die Wortmeldungen der Parteien dazu waren eher schaumgebremst als angriffig. Eine derartige Zurückhaltung war man aus der Vergangenheit nicht gewohnt, da waren immer sofort Schuldige gesucht worden. Gleichzeitig sah sich in den ersten Tagen niemand in der Regierung veranlasst, mit dem Verkünden von Sofortmaßnahmen punkten zu wollen. Das war bei den Terrorattentaten in Wien und Villach noch ganz anders gewesen.

Am Samstag allerdings hat die Spitze der türkis-rot-pinken Bundesregierung akkordiert klar gemacht, dass schon beim Ministerrat der kommenden Woche Maßnahmen beschlossen werden. Wirklich überraschend war dabei, dass das Ganze sachlich und politisch unspektakulär abgelaufen ist. Die FPÖ verwies zwar darauf, dass man schon bei den blau-türkisen Regierungsverhandlungen übereingekommen wäre, dass für den Wehrdienst psychisch untaugliche Personen auch im zivilen Leben mit Konsequenzen rechnen müssen. Das klang aber mehr erklärend als kritisierend. Grünen-Chef Werner Kogler äußerte sogar Zustimmung zu den Vorhaben der Regierung.

Diese ungewohnte politische Ruhe ist für die Regierung aber kein Freibrief, dass am Mittwoch nicht geliefert werden muss. Die Menschen erwarten sich, dass so eine Tat nicht ohne Konsequenzen bleibt. Das Waffengesetz zu verschärfen, wird die leichtere Aufgabe sein. Da mag es zwar innerparteilich Gegenstimmen geben, die Regierungsspitze scheint sich aber einig zu sein. Schwieriger ist der Umgang mit dem Datenschutz, der in Österreich noch immer den Status einer „heiligen Kuh“ hat, selbst in jenen Fällen, die zum Nachteil der Menschen gereichen können. Das zeigt uns die noch immer nicht abgeschlossene Debatte über die Überwachung der Messengerdienste.

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