Justiz in der Kritik: Der Fluch der Pseudo-Richter

Die Zeiten, als die Justiz als die unantastbare Gewalt im Staat gegolten hat, sind vorbei. Die neue Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) hat derzeit vielmehr damit zu tun, die Gerichtsbarkeit gegenüber aggressiven öffentlichen Anfeindungen – meist in den sozialen Netzwerken – zu verteidigen.
Das geht so weit, dass zuletzt im Fall jener Jugendlichen, die ein zum Zeitpunkt der Tat 12-jähriges Mädchen zu sexuellen Handlungen genötigt haben sollen, der Richter bedroht wurde („Fall Anna“), weil der Prozess mit einem nicht rechtskräftigen Freispruch geendet hat. Jetzt ist es legitim, mit einem Urteil nicht einverstanden zu sein, es zu kritisieren. Dennoch muss ein Urteil am Ende eines Prozesses akzeptiert werden und darf nur innerhalb des Instanzenweges bekämpft werden. Grenzüberschreitungen dürfen da nicht geduldet werden.
Ein nicht vergleichbarer, aber ähnlicher Fall ist die Diversion, mit der das Verfahren gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger geendet hat. Seither wird die vorsitzende Richterin in der Öffentlichkeit scharf kritisiert. Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, weil sie dem zugestimmt hat und Wöginger mit einer Geldbuße von 44.000 Euro im Prozess um den Vorwurf des Postenschachers bei einer Personalentscheidung in einem Finanzamt davongekommen ist.
Interessanterweise sind jetzt all jene die schärfsten Kritiker der WKStA, die diese Anklagebehörde von wenigen Jahren noch in den Himmel gehoben haben, als sie im Zuge der U-Ausschüsse gegen Politiker der ÖVP vorgegangen ist. Kritik an der WKStA galt damals als Staatsverrat, derzeit wird diese plötzlich als Staatsnotwendigkeit gesehen.
Jetzt steht auf einem anderen Blatt, wie der Ausgang des Postenschacher-Prozesses im Hinblick auf die Moral und die türkise Partei-Hygiene gesehen wird. Aber juristisch ist alles klar. Es gab Ermittlungen, es gab ein Verfahren, es gab mit der Diversionsentscheidung-Entscheidung einen Abschluss, der gesetzlich möglich ist. All das wird sicher noch von der Fachaufsicht im Justizministerium geprüft werden. Aber es ist zu akzeptieren und kein Versagen der Justiz, wie das mit verschiedensten Postings in den sozialen Medien von Pseudo-Richtern kommuniziert wird. Die Justiz ist nicht sakrosankt, sie darf aber auch nicht Freiwild sein. Je nach Gutdünken und Belieben.
Justizministerin Anna Sporrer hat da jetzt einiges zu tun. Sie weiß natürlich, dass die Kritik am Justizsystem teilweise berechtigt ist. Da muss es ihr gelingen, diese für die Demokratie so wichtige Säule weiterzuentwickeln. Gleichzeitig muss sie die Gerichtssäle vor den aufgekeimten Anfeindungen schützen und die Unabhängigkeit wahren. Ein Weg muss sein, die Kommunikation offensiver zu gestalten, um die Deutungen nicht dem Internet zu überlassen.
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