Radfahrer als Könige der Straße: Ein Plädoyer für die Fußgänger

Nein, das ist kein Thema für die große Weltbühne – aber es bewegt buchstäblich die Menschen: die individuelle Mobilität. Und da macht sich leider immer häufiger Wildwest-Stil breit. Es soll in Wien ja sogar eine eigene Fußgängerbeauftragte geben. Bitte melden, falls Sie ihrer zufällig ansichtig werden. Gäbe es sie nicht, müsste man sie nämlich erfinden.
Denn um die Fußgänger kümmert sich so gut wie niemand.
Ganz im Gegensatz zu den Radfahrern, die – vor allem in der Bundeshauptstadt, aber auch außerhalb – zu den Königen der Straße erklärt wurden, deren Freiheit auf zwei Rädern schwerer wiegt als alles andere. Dafür werden sogar ganze Straßen rot eingefärbt (die grüne Wiener Stadträtin malte sich davor lieber grüne Radwege). Fett rot markiert sind auch jene Stellen, wo sich die Wege von Fußgängern und Zweiradlern zwangsläufig kreuzen. Was das in Wahrheit bedeutet? „Lieber Fußgänger, löse dich gefälligst in Luft auf, sonst läufst du Gefahr, aggressiv angeklingelt oder niedergerammt zu werden.“
Diese Verkehrspolitik hat Folgen: Neben den vielen entspannten Radlern hat sich der Typus des ideologischen Kampfradlers entwickelt, der für sich in Anspruch nimmt, den anderen moralisch überlegen zu sein, sich keinerlei Regeln verpflichtet fühlt, auf Gehsteigen und gegen alle Einbahnen unterwegs ist und Rotlicht als unverbindliche Empfehlung betrachtet. Dass sich auf den neuen „Rad-Highways“ und anderswo immer häufiger „High Noon“ abspielt, liegt aber auch an jeder Menge weiterer Zweirad-Kamikazes: zum Beispiel E-Scooter, die oft sogar mit zwei Passagieren und abends gerne ohne Licht unterwegs sind. Dass Verkehrsminister Hanke für sie nun künftig Helmpflicht vorsieht, ist lobenswert. Genauso wie seine Ankündigung, E-Mopeds von Radwegen zu verbannen. Nach dem Sommer soll es dazu endlich einen Gesetzesentwurf geben. Bei aller Sympathie für die emsigen Essenszulieferer einer faul gewordenen Wohlstandsgesellschaft, die Wind und Wetter trotzen: Diese überbreiten, lautlosen, dafür umso schnelleren Fahrzeuge sind mit Radfahrern (und Fußgängern) inkompatibel – im „normalen“ Autoverkehr aber leider auch ein Problem (genauso wie übrigens die Fake-Oldtimer, die am Wiener Ring zuckeln).
Ja, natürlich gibt es Rowdys in allen Bereichen: rücksichtslose Autofahrer, verrückte Zweiradbenutzer (und da reden wir noch gar nicht von den Bobo-Lastenradlern mit ihren Kindern auf Auspuffhöhe), und es gibt auch gedankenlose Fußgänger. Aber im Prinzip ist das schwächste Glied in der Mobilitätskette trotz allem das schützenswerteste, und wir leben eben in einer alternden Gesellschaft. Nicht jeder kann, will und soll auf ein Zweirad. Wann nimmt sich die Politik der Fußgänger an?
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