Sanierer-Koalition statt Slim-fit-Kanzler

Christian Stocker, Herbert Kickl, Arnold Schiefer
Die Geschichte von FPÖ und ÖVP muss neu geschrieben werden, soll sie im Sinne einer stabilen Regierung Gelingen bringen.
Johanna  Hager

Johanna Hager

Erinnern Sie sich? Auf den Tag genau – am 4. Februar 2000 – wird die erste schwarz-blaue Koalition angelobt. Sie bringt in den Nuller-Jahren jeden Donnerstag Tausende auf die Straßen der Bundeshauptstadt, um gegen die Koalition von ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel und FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer zu demonstrieren. Sie bringt Österreich Kritik und Sanktionen ein.

25 Jahre später fühlen sich viele an die Vergangenheit erinnert. Nicht nur ob der Demos, die auch heute wieder in Wien stattfinden. Doch die Vorzeichen jetzt sind mit früher nicht zu vergleichen. Nur zwei Politiker von damals sind heute noch aktiv in vorderster Reihe: Herbert Kickl und Alexander Van der Bellen.

Der eine, einst im Hintergrund von Jörg Haider, steht womöglich kurz davor, als erster FPÖ-Chef am Ballhausplatz einzuziehen. Der andere, einst Grünen-Chef, ist an der Spitze des Staates und kann Kickl zum Kanzler machen. Ein historischer Schritt. Doch die Geschichte zwischen FPÖ und ÖVP muss neu geschrieben werden, soll sie jemals – im Sinne einer stabilen Regierung – Gelingen bringen. Das erfordert vorurteilsfreies und vorbehaltloses Wahrnehmen des Status quo. Und zwar von allen Beteiligten – Bevölkerung wie Medienöffentlichkeit und deren immanente wie permanente Ungeduld eingeschlossen.

Fakt ist: Bis zum 3. Jänner wähnte sich die ÖVP in der Rolle der Kanzlerpartei, bis zum Regierungsbildungsauftrag (6. 1.) Kickl als Wahlsieger in der Opposition. Seither müssen sich die Parteien, die sich seit 2019 und dem Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition alles geheißen und nichts geschenkt haben, (an)einander annähern.

Anfreunden werden sie sich wohl nie, dafür sei zu viel passiert, heißt es. Doch müssen sie das? War eine Koalition jemals "Liebesheirat“ oder „das Beste aus beiden Welten“? Kickl wird wohl mit Christian Stocker weder zum Golf noch auf den Berg gehen, schon gar nicht, um Polit-PR zu betreiben.

Doch das müssen beide auch nicht. 

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