Dass der ausverhandelte Koalitionspakt ausgerechnet an jenem Tag präsentiert werden soll, an dem auch der Opernball stattfindet, kann im Land der Pakte und Bälle kein Zufall sein.
Der Opernball ist und war immer Politik, zumindest Gesellschaftspolitik, auch wenn er vielleicht als Gegenmodell intendiert war bzw. ist. Mit Kunst und Kultur hat er wesentlich weniger zu tun, auch wenn der Veranstaltungsort solches suggeriert. Er ist mindestens ebenso sehr der Ball der Republik, wie er der Ball der Oper ist.
Zutiefst österreichischer und politischer Ball
Aber was macht den Opernball zu einem zutiefst österreichischen und auch politischen Ball? Zunächst einmal die Unlust auf Veränderung. In der Politik – man hat es soeben bei den Verhandlungen für eine neue Regierung gesehen – soll am besten alles beim Alten bleiben. Man spricht von Reformen, meint aber, zumindest bei einem großen Teil der Verhandler, Erhalt des Bestehenden. Beim Opernball ist es ähnlich: Man probiert es immer wieder mit einem neuen Anstrich, teilweise sogar erfolgreich, aus Sicht der TV-Konsumenten soll aber bitte alles bleiben wie bisher. Umso mehr muss man sich über Innovationsversuche freuen. Hoffentlich gelingen manche davon, zumindest in der Politik, dort sind Reformen, die den Namen verdienen, dringend nötig.
Apropos Reformen: Da wie dort ist die Haltung stark ausgeprägt, dass früher alles besser war. In der Politik kann heute kein Kanzler den Platz einnehmen, den Kanzler X. (Name je nach Geburtsjahr des geneigten Lesers einzusetzen) ausgefüllt hat. Auch beim Ball war früher alles glamouröser. Sogar unter Richard Lugner (übrigens ein Nebenerwerbs-Polit-Populist), der zeitlebens immer belächelt und geschnitten wurde, tatsächlich aber Gäste angekarrt (oder angelimousint) hat, von denen man heute nur träumen kann.
Beachtliches Chaos
Regelmäßige Ballgäste berichten, dass zumindest zu Beginn, beim Einzug der Festgäste, ein beachtliches Chaos herrsche. In dieser Hinsicht steht die Politik – siehe ebenfalls aktuelle Verhandlungen – bestimmt um nichts nach. Eine andere Parallele: Da wie dort geht es primär um Namen oder Logengäste (siehe Gerangel um den roten Finanzminister), erst dann kommen (politische oder künstlerische) Inhalte.
Sehr österreichisch ist in beiden Bereichen auch die Haltung der Zaun- oder Fernsehgäste: Einerseits herrscht ein gewisser Respekt vor den Amts-, Titel- oder Würdenträgern, andererseits liebt es der sozialisierte Alpenrepublikaner, über Die da oben zu schimpfen.
Was der Opernball der Politik jedenfalls voraus hat: Spaß und Ironie. Eine Nacht lang lachen – und dann froh sein, wenn der Ball wieder vorbei ist. Und endlich die neue Regierung einzieht. In fünf Tagen ist der Fasching aus, dann kommt die Fastenzeit. Diesmal wird sie wohl lange dauern.
Kommentare