Der Algorithmus ist gefährlich. Jetzt braucht es harte Maßnahmen

Kürzlich in der zweiten Reihe einer Theateraufführung. Auf der Bühne: die Kinder der Anwesenden. Vor dem Autor dieser Zeilen eine etwa 50-Jährige, die ihren Facebook-Status updatete und Likes bei anderen da ließ.
Wir haben als Gesellschaft ein problematisches Verhältnis zu den Maschinen entwickelt, die wir ständig in der Hand haben. Immer mehr Menschen berichten, dass sie ihr Handy z.B. auf den Schrank legen, um es nicht ständig unbewusst zu aktivieren. Niemand soll glauben, dass ein Foto auf Facebook oder Instagram einfach nur ein Schnappschuss ist, vergleichbar mit einem Bild an der Küchenwand. Wer postet, hofft auf Bestätigung: Ein Like? Schön. Mehr Likes? Super! Noch ein Bild! Noch ein Like.
Fastfood für den Kopf
Das Zauberwort heißt: Dopamin. Durch den Fluss an kurzen, persönlich abgestimmten Reizen wird ständig jener Botenstoff ausgeschüttet, der dafür sorgt, dass wir uns angenehm und wohlig fühlen. Fastfood für den Kopf, für die Persönlichkeit, für den eigenen Wissensstand.
Experten sprechen von echtem Suchtverhalten. Bemerkenswert ist das bei den Kurzvideos der Plattform TikTok ausgeprägt: Ein persönlich abgestimmter Algorithmus reiht einen 15-Sekünder an den nächsten, bis man eine Stunde das Smartphone in der Hand hatte und es irritiert weglegt. Süchtig? Ich?
Online-Imame
Der Algorithmus wird zunehmend gefährlich, wie sich auch in Villach zeigte. Radikale Influencer nutzen dieses Einfallstor nämlich geschickt: Vom Glaubenssuchenden bis zum Dschihad sind es nur wenige TikTok-Sessions, in dem teilweise unterhaltsame Online-Imame erklären, ob es mit dem Glauben vereinbar ist, bei Aldi zu arbeiten. Dass ein 23-Jähriger in Villach binnen kürzester Zeit zum Dschihadisten wurde, hat weniger mit seiner syrischen Herkunft zu tun als mit dem Umstand, dass er sich ungehemmt mit dem Dopamin-Monster TikTok zudröhnte, bis er abdriftete: „Die Ungläubigen sind gegen uns, nimm ein Messer.“ Und ein Messer nahm er.
Wer glaubt, das beziehe sich nur auf den Islam, möge sich ansehen, wie sich rechtsextreme Akteure derselben Mechanismen bedienen. Immer mehr Jugendliche feiern Hitler und schimpfen auf Juden.
Allerdings: Nicht nur die Adressaten dieser Botschaften gilt es zu verfolgen, sondern vor allem die Hass-Influencer. Deren Botschaften müssen samt und sonders verschwinden und die Urheber bestraft werden. TikTok, Facebook, Instagram und Co. müssen den Behörden mit Daten unterstützend zur Hand gehen. Und wenn nicht? Dann muss man sie verbieten. Die Plattformen müssen zur Verantwortung dafür gezogen werden, was sie verbreiten. Wir können nicht zusehen, wie Leute verblöden oder zum Messer greifen.
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