Zwei Strategen und ihre Kuschel-Show

Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Rot und Blau
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„HC Strache ist kein Patriot.“ Das schrieb Bundeskanzler Christian Kern auf Twitter, nachdem Strache bei seiner Rede zum Nationalfeiertag einen „Bürgerkrieg für nicht unwahrscheinlich“ gehalten hatte. Das ist erst ein paar Wochen her. Da gab es noch andere Polemiken, etwa dass Kern „bei den CETA-Verhandlungen umgefallen und im Liegewagen heimgefahren“ sei, so Strache. Gestern im Ö1 Gespräch wurden die beiden leider nicht darauf angesprochen, was sie alles trennt, sondern die beiden Parteichefs bekamen die Chance auf eine Kuschel-Show. Da fragt man sich nur, warum SPÖ-Chef Kern und FPÖ-Chef Strache fast übertrieben harmonisch miteinander redeten. Ach ja, Politik ist nur mehr Strategie und Taktik, wer wird sich schon um Inhalte kümmern?

Etwa Europa: Wenn Kern und Strache ihre Standpunkte oder gar Überzeugungen zu Europa ernst nehmen, dann können sie niemals gemeinsam regieren. Erst am vergangenen Sonntag hat der Kanzler im KURIER-Gespräch gesagt: “Den wirtschaftliche Schaden, den jemand wie Le Pen anrichten kann, kann man nicht hoch genug einschätzen. Für uns wäre das ein enormer Wohlstandsverlust, Österreich, Europa würden ärmer werden.“ Aber Strache will mit der Front National Chefin Marine Le Pen gemeinsam Politik machen, also, um mit Kern zu sprechen, Europa und Österreich ärmer machen. Und natürlich betont Strache, dass das Wort ÖXIT nicht von ihm stamme. Die FPÖ hat schon verstanden, dass nach der Lügenkampagne in Großbritannien der Schock groß war und die Österreicher in ihrer Mehrheit nichts von einem derartigen Abenteuer halten. Aber Strache hat immer wieder mit einem Referendum über einen EU-Austritt gespielt und will, wie er im KURIER-Streitgespräch im Jahr 2013 betonte, den Euro zerstören. Kern will das nicht. Der Kanzler hat im KURIER auch klargestellt, dass er die Sanktionen gegen Russland für richtig hält, Strache wirbt stets für Anbiederung an Präsident Putin. Auch hier eine klare Differenz, wie in noch vielen anderen Fragen.

Warum also die Show, dass man sich so gut verstehe?

Natürlich geht es um Optionen nach der nächsten Wahl . Kern will sich nicht der ÖVP ausliefern, was verständlich ist und glaubt offensichtlich nicht an eine Mehrheit diesseits von Schwarz-Blau. Also die blaue Option für die Roten. In diese taktischen Überlegungen muss dann aber auch einberechnet werden, dass die SPÖ immer wieder Wähler mobilisieren konnte, die sie nur gewählt haben, um die FPÖ zu verhindern. Diese Wähler kann Kern verlieren, welche aber gewinnt er dazu, wo ist das Potential größer?

Ja, wie gesagt, es geht eh nur mehr um Taktik. Aber auch für diese Einstellung kann man Wähler verlieren.

PS: Auch mit dem ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann diskutierte Heinz-Christian Strache 2013 für ein KURIER-Streitgespräch. Ein Video des Events:

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