Wir müssen die Schule neu gründen
Wir müssen die Schulen für das 21. Jahrhundert gründen: vielfältig, flexibel, innovativ.
Es war ein feucht-kalter Dezembertag des Jahres 1774, draußen vor der Wiener Hofburg fielen die ersten Schneeflocken. Drinnen, bei der Kaiserin, diskutierten ihr Sohn, der 31-jährige Josef, und der Augustinermönch Johann Felbiger über die Einführung der Schulpflicht. Nicht zu lange sollte sie dauern, die Kinder mussten ja weiter am Feld arbeiten. Und zu gescheit sollten die Jungen auch nicht werden, die Gedanken der Aufklärung, die anderswo schon laut wurden, brauchte ja wirklich niemand im Habsburger Reich. Also einigte man sich auf sechs Jahre Schulpflicht und lange Sommerferien.
Knapp hundert Jahre später mussten die Kinder dann acht Jahre in die Schule gehen, wieder hundert Jahre später kam noch ein Jahr dazu. Seither diskutieren wir über Gesamt- und Ganztagsschulen, über kürzere Sommerferien und längere Lehrverpflichtungen.
Wir führen Diskurse, die vielleicht in das 18. oder 19. Jahrhundert passen. Aber das, worum es geht, interessiert (fast) niemanden: Wie werden die Kinder auf ein Leben vorbereitet, das kompetitiver, internationaler, schwieriger, aber auch aufregender sein wird als das der meisten Lehrer?
Unser Bildungssystem ist bestenfalls mangelhaft. Was würde ein Unternehmen machen, dessen Produkt schlecht ist, dessen Kosten zu hoch sind und dessen Image bescheiden ist? Es würde die Kosten überprüfen und ein neues Produkt entwickeln.
Analyse der Stärken und Schwächen
Jetzt alle Schuld den Lehrern oder ihren Gewerkschaftern anzulasten, ist allzu billig. Auch die Bildungsministerin hat versagt und mehr Energie und Steuergeld am Boulevard verteilt, um sich positive Berichterstattung zu sichern, als Gedanken in ein neues Bildungssystem investiert. Immerhin hat sich Vizekanzler Spindelegger vom Beamtenchef Neugebauer emanzipiert und hat via KURIER einer Begutachtung des neuen Lehrerdienstrechts zugestimmt. Respekt. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Es geht um die große Bildungsreform.
Eine Analyse der Stärken und Schwächen ist schnell gemacht. Da gibt es viel Vorarbeit bei den Sozialpartnern, den Lehrern oder dem Bildungsvolksbegehren.
Wir müssen aufhören, die Schule der Maria Theresia zu reformieren, wir müssen die Schulen für das 21. Jahrhundert gründen: vielfältig, flexibel, innovativ.
Wenn sich die neue Regierung dazu bekennt, erledigen sich viele Streitpunkte von selbst. Oder würde heute jemand wirklich ernsthaft behaupten wollen, dass Schulen nur vormittags unterrichten sollen? Könnte irgendjemand erklären, dass im Sommer mehr als zwei Monate Ferien sinnvoll sind? Oder würde man heute Schulen ohne Arbeitsplätze für Lehrer oder Klassenzimmer für Frontalunterricht bauen?
Wieder eine kleine Schulreform wird nicht reichen, wenn uns unsere Kinder wirklich so wichtig sind wie den Politikern in ihren Sonntagsreden.
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