Weniger Rot-grün,mehr Blinklichter ins Blaue

Die Wahl Michael Ludwigs zum Häupl-Nachfolger ist zuallererst eine Abrechnung mit der Vergangenheit.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die Wahl Ludwigs ist zuallererst eine Abrechnung mit der Vergangenheit.

von Josef Votzi

über die Wahl von Michael Ludwig

Noch am Vortag des roten Showdowns machte unter engen Häupl-Freunden ein Bonmot die Runde: "Wenn die sich streiten, dann stellen wir einen Antrag, dass er noch eine weitere Amtsperiode bleibt." Wenn es nach dem tosenden Applaus nach Häupls Abschiedsrede geht, hätte das spielend eine Mehrheit gefunden. Dafür bestand dann doch kein Bedarf. Alle hielten sich brav an die Parteitagsregie und vermieden Untergriffe oder gar Attacken. Begeisterungsstürme löste keiner der beiden Nachfolge-Bewerber aus. Dass die Mehrheit am Ende für Michael Ludwig votierte, stand schon vor dem Parteitag fest. Denn das Votum war zuallererst eine Abrechnung mit der Vergangenheit .

Die rote Parole, das Stimmwerben von Andreas Schieder und Michael Ludwig sei der friedlichste Zweikampf aller Parteizeiten gewesen, bleibt ein Propagandaschmäh. Bis zuletzt wurde hinter den Kulissen mit allen Mitteln um Stimmen gekämpft. Der Nachfolge-Wahlkampf hat die Lagerbildung in der Wiener SPÖ verfestigt. Hie Häupls Stadträte-Team (mit Ausnahme Ludwigs), das mehr als selbstbewusst SPÖ und Stadt regierte – für ihre Gegner die "Rathauspartie". Dort alle anderen, die sich immer mehr an den Rand gedrängt fühlten. Beginnend mit der Partie um Werner Faymann bis hin zu Funktionären der großen Flächenbezirke.

Häupls Breite deckte Leere hinter ihm zu

Michael Ludwig wird so als erstes die verfeindeten Lager befrieden müssen. Überfällig ist auch ein Neustart der Partei- und Regierungsarbeit. Michael Häupl hat nach einem Vierteljahrhundert an der Macht zuletzt zunehmend die Zügel schleifen lassen. Nur in Wahlkämpfen lief er zu alter Form auf. Ohne das letzte Großkaliber der SPÖ wäre die Leere hinter Häupl längst breit sichtbar geworden. Die am Parteitag einmal mehr besungene Kampfkraft der Wiener SPÖ dank pulsierender Basis und Zehntausender Vertrauensleute ist eine urban legend. Das war einmal. Heute sind viele Sektionen soziale Wärmestuben, politisch mangels Masse aber bedeutungslos. Das Tagesgeschäft im Rathaus hatte Michael Häupl bereits in den letzten Jahren vor allem seinen Stadträtinnen, allen voran Renate Brauner überlassen.

Zum Missfallen des Ludwig-Lagers: Mit Genderpolitik und im Wettstreit mit den Grünen um "Gutmenschen-Themen" allein würden weder Rot noch Grün wieder mehrheitsfähig, so die Kritiker von Brauner & Co. Ihr Credo: Die SPÖ müsse sich wieder mehr für die Alltagssorgen der Wiener öffnen und dies breit sichtbar machen. Unausgesprochenes Vorbild ist Helmut Zilk, der als Bürgermeister selbst wegen eines kaputten Papierkorbs im Rathaus gerne sofort Alarm schlug – und auch nie verabsäumte, das auch alle Welt wissen zu lassen.

Von Michael Ludwig ist so alles in allem weniger politischer Spielraum für Grün, sondern es sind mehr rote Blinklichter in Richtung Blauwähler zu erwarten – zumindest, solange ihm die gestern unterlegene alte Rathaus-Partie nicht lautstark dazwischenfunkt.

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