Wels – Wien – Washington – Paris

Inszenierung kann auch etwas bringen. Wenn Politik nur noch aus Symbolen besteht, wird es gefährlich.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

"Es muss auch in der Politik zu einer strukturierten Arbeitsform kommen", meinte Bundeskanzler Kern gestern nach der Präsentation des Programms "Für Österreich". Selbsterkenntnis oder die Hoffnung eines Ex-Managers? Kerns Auftritt in Wels wäre in einem Unternehmen undenkbar gewesen. Der Chef richtet nicht einmal in einem Staatsunternehmen dem Vorstand öffentlich aus, wo es langgeht. Die Logik der Politik: Finanzminister Schelling krempelte die Ärmel auf,weniger, um zur Arbeit zur schreiten, als um den Roten zu zeigen, dass er sich auch inszenieren kann. Immerhin, jetzt sind in dem Programm klare Termine vorgesehen, zu denen der Ministerrat aktiv werden muss. Hoffnung gibt das Ende der sogenannte Spiegelung. Bisher mussten Minister der einen Partei jedes Vorhaben mit einem Kollegen der anderen Partei abgleichen. Motto: Ich stimme dir nur zu, wenn du mir auch zustimmst. Diese Form der Blockade soll zu Ende sein.

Auch dadurch wurden die beiden Parteichefs gestärkt, die sich im Zweifel abstimmen werden. Deutlich mächtiger als vor ein paar Tagen wirkt Vizekanzler Mitterlehner. Er wollte, im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen, den Neustart statt Neuwahlen, er hat viel für die ÖVP durchgesetzt und kann jetzt freier agieren.

Hebt man die Sicht aus der österreichischen Innenpolitik hinaus, fällt der Befund deutlich kritischer aus. Es sollen zwar bald Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung, der Forschung und der Universitäten kommen, aber Antworten auf die großen Trends fehlen noch. Stichworte: Roboterarbeit, Finanzierung des Sozialsystems bei weniger Beitragszahlern, echte Steuerreform.

Show und Symbolik als Gefahr

Europa wird eher als Gefahr denn als Chance gesehen, wenn eine Begrenzung der Arbeitsmigration aus EU-Ländern angestrebt wird. Das muss übrigens noch mit der Europäischen Kommission verhandelt werden.

Schon auf der ersten Seite heißt es, es gehe um mehr "individuell empfundene Sicherheit", also auch um symbolische Maßnahmen. Das Verbot der Vollverschleierung wird eher reiche Familien aus Saudi-Arabien abhalten, als unterdrückten Ehefrauen verbohrter Muslime helfen. Bei den Verschärfungen im Bereich der Überwachung muss der Grundsatz des Rechtsstaats, also die Trennung von Polizei und Justiz, geachtet werden.

Was passiert, wenn Show und Symbolik dominieren und der Rechtsstaat ausgehebelt wird, dass sehen wir gerade in Washington: Präsident Trump löst mit einer einzigen Anordnung Chaos aus. Weitere werden folgen, auch wir werden darunter leiden. Blicken wir nach Frankreich, wo der linke Kandidat der Sozialistischen Partei die Vorwahl gewonnen und damit die Chancen von Marine Le Pen auf die Präsidentschaft erhöht hat, da kommt ein weiteres Problem auf uns zu – die mögliche Zerstörung der EU. Bei allen Details, die beschlossen wurden, muss Österreich auf die großen Linien achten: Liberaler Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie.

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