"Und wie lang hast du noch, Kollege?"

Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Jobanzeige für "junges, dynamisches Team" wurde als Diskriminierung verurteilt. Eine Wortklauberei.

von Ricardo Peyerl

über Wortklauberei

Spätestens ab 55 wird man von Kollegen im Lift gern gefragt: "Und wie lang hast du noch?" Die Zeiten der "golden handshakes" sind zwar längst vorbei, aber Altersteilzeit und Teilpension florieren. Zum Glück gibt es für die, die sich noch nicht zum alten Eisen zählen, das Gleichbehandlungsgesetz. Es schützt vor Diskriminierung auf Grund des Alters (sowie des Geschlechts, der Religion, ethnischen Zugehörigkeit, Weltanschauung und sexuellen Orientierung). Aber wie weit geht das? Ein TV-Sender wurde verurteilt, weil er Mitarbeiter für ein "junges, dynamisches Team" suchte (siehe Chronikteil). Ältere Bewerber könnten sich dadurch ausgeschlossen fühlen und sind in dem Team der Generation 4.0 wohl auch gar nicht erwünscht. Die Stellenausschreibung muss neutraler formuliert sein, um mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu geraten.

Für "jung" bieten sich als Alternativen an: frisch, unverbraucht, neu. Bei Begriffen wie "unberührt" oder "jungfräulich", die das Synonyme-Wörterbuch vorschlägt, wird es schon ein bisschen haarig. Für "dynamisch" käme in Frage: temperamentvoll, energiegeladen, kraftvoll, rege, vital, fix, fit, topfit oder auf Draht, was beim Fernsehsender ja besonders gut ankommen müsste. Aber ist das nicht bloß Kosmetik? Was hat denn der Jobsuchende davon, wenn er in der Anzeige über das gewünschte Profil getäuscht wird, sich bewirbt, dann aber eine Absage oder – wie meist üblich – gar keine Antwort bekommt? Der Frust ist dann wohl noch größer.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Diskriminierungen verfolgt, will damit sensibilisieren, aufklären und erziehen. Das ist löblich, aber der Kampf um den Stellenwert älterer Mitarbeiter sollte sich nicht in Wortklauberei verlieren.

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