Rot raus, Blau-Türkis rein – aber was sonst

In der Ära Kurz wird mit eiserner Hand Regie geführt, alle Auftritte zentral inszeniert – aber welches Stück?
Josef Votzi

Josef Votzi

In der Ära Kurz wird mit eiserner Hand Regie geführt, alle Auftritte zentral inszeniert – aber welches Stück?

von Josef Votzi

über "Operation Gleichklang"

Was wurde eigentlich aus dem Coup von Sebastian Kurz, alle wählbaren Plätze auf seiner Bundesliste mit Newcomern zu besetzen? Mit Josef Moser, Elisabeth Köstinger und Juliane Bogner-Strauß haben zwar gleich drei der Top 20 den Sprung in die Regierung geschafft. Der große Rest ist seither aber in der Versenkung verschwunden. Von Maria Großbauer hat man etwa seit der groß inszenierten Präsentation als ÖVP-Kandidatin erst rund um den Opernball wieder etwas gehört; als Politikerin bleibt sie ein unbeschriebenes Blatt. Rar gemacht hat sich auch der umtriebige Mathematik-Guru Rudolf Taschner. Gut ein halbes Jahr nach seiner Kür zu Kurz’ Vorzeige-Promi durfte Taschner dieser Tage sein erstes politisches Interview geben. Durfte? Ein Volksvertreter? Mit freiem Mandat?

Wer wann was wo wie sagen soll/darf/muss, wird in der Ära Türkis allein im Kanzleramt entschieden. Ein System, das demokratiepolitisch umstritten ist, aber eisern durchgezogen wird.

Es ist das gute Recht, ja der Job einer Regierungspartei, Themen zu setzen wann und wie sie will. Das Team Kurz setzt sich freilich seit Machtübernahme in der ÖVP vor bald einem Jahr dem begründeten Verdacht aus: Die Inszenierung ist alles. Aber wo bleibt das Stück? Diese Woche waren von Kurz’ Kommandozentrale höhere Strafen für Sexualdelikte als Top-Thema angesagt. Der neue Stern am türkisen Himmel, Karoline Edtstadler, lancierte flächendeckend die Botschaft: Nachschärfung der eben erst nachgeschärften Mindest- und Höchst-Strafen. Konkrete Vorschläge? Bitte bis Jahresende warten. Ende der Dauer-Durchsage. Damit kommt jede Regierung noch einmal gut über die kommenden drei kleineren Wahlrunden (in Tirol, Salzburg und Kärnten).

Populäres wittern Pflicht, populär machen Kür

Spitzenpolitiker sind nur dann erfolgreich, wenn sie die Grundstimmung widerspiegeln. Die hat Kurz in Sachen himmelschreiende Ignoranz bei Integrations-Sünden und Kontrollverlust bei der Zuwanderung perfekt erwischt. Der Flüchtlingsstrom ist gebannt. Mit Primitiv-Slogans wie "Moslem-Mama" macht auch die blaue Konkurrenz keine Punkte mehr. Das müsste auch der FPÖ nach dem Reinfall in Niederösterreich bald dämmern: "Moslem-Mama" Mikl-Leitner verteidigte souverän die absolute Mehrheit. Blau blieb unter ihrem Potenzial.

Vorhandene Stimmungen instinktsicher aufzugreifen , ist aber nur der Pflichtteil im politischen Geschäft.

Langfristig und für die Zukunft des Landes lebenswichtig, ist aber die Kür: Wichtiges populär machen.

Welche Spuren in Richtung Zukunftssicherung hier die Regierung Kurz/Strache hinterlassen will, bleibt im Dunkeln. Das liegt nicht daran, die FPÖ mit ihren Umfärbeaktionen dem ganzen Land die Beschäftigung mit der sinistren Parallelgesellschaft rechtsextremer Burschenschaften aufzwingt. Eine politische Vision von Kurz & Strache – jenseits von Rot raus und Türkis-Blau rein – erschließt sich auch bei Licht besehen nach wie vor nicht.

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