ORF – Ohne Vertrauen wird er nicht überleben

Ein ORF, der von der Mehrheit nicht als unabhängig angesehen wird, kann nicht überleben. Was schade wäre.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

So wird der ORF offenbar verloren gegangene Glaubwürdigkeit nicht zurückbekommen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Berichterstattung zum BVT-Einsatz.

Das Ergebnis der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM über den ORF ist eindeutig, auch wenn man die ausgewiesene Schwankungsbreite von 4,5 Prozent berücksichtigt: Die Mehrheit der Österreicher will keine Gebühren mehr zahlen. Und was wie ein Widerspruch klingt: So unzufrieden sind die Menschen mit dem Programm gar nicht. Aber sie wollen eben nicht mehr dafür zahlen, wohl auch, weil ungefähr die Hälfte der Befragten die politische Berichterstattung des ORF für nicht objektiv hält.

Das ist gerade jetzt umso bedenklicher, wo Innenminister Kickl mit einer abenteuerlichen Aktion einen Teil des Sicherheitsapparats verunsichert hat, nur weil er den Verfassungsschutz (BVT) umfärben will, was er am Freitag ja auch zugab. Gleichzeitig vernadert der oberste Polizeibeamte korrekte Berichte als "Fake News" und das Innenministerium baut sich eine eigene Presseabteilung auf, die so tut, als würde sie Journalismus machen, dabei betreibt sie nur Propaganda.

Umso genauer müssen Journalisten sein. Der Polizeieinsatzeinsatz beim BVT war offenbar brutal, aber anders, als der ORF mit Archivbildern schwer Bewaffneter unterstellte. So wird der ORF offenbar verloren gegangene Glaubwürdigkeit nicht zurückbekommen.

Der KURIER hat in einer einwöchigen Serie auf Stärken des ORF – österreichische Produktionen – und Schwächen – politische Interventionen plus vorauseilender Gehorsam der Führung – aufmerksam gemacht. Jetzt wäre der ORF an der Reihe, jenseits von bunter Werbung darauf aufmerksam zu machen, dass er ein Stück österreichische Identität darstellt. Dass er genau und objektiv berichten kann. Und dass die Führung sich vor den Mächtigen nicht fürchtet. Wenn man hört, dass sich Regierungspolitiker aussuchen können, mit wem sie diskutieren, fällt der Glaube daran freilich schwer.

Demokratie: Ein Verhältnis auf Augenhöhe

Die Bundesregierung will noch vor dem Sommer eine Medien-Enquete veranstalten, um dann über ein neues ORF-Gesetz zu entscheiden. Am Beginn muss ein Bekenntnis stehen, dass niemand in der Bundesregierung Journalisten als Feinde sieht. Diesen Eindruck hat man aber bei vielen Gesprächen. Wobei da auch eine beachtliche Unsicherheit von Personen in höchsten Ämtern zu spüren ist. Ein anständiges Verhältnis zwischen Politik und Medien auf Augenhöhe ist aber eine von mehreren Grundlagen einer funktionierenden Demokratie.

Die Umfrage zeigt übrigens auch, dass die Menschen den Qualitätszeitungen mehr vertrauen als dem ORF und dass der Gratis-Boulevard kein Vertrauen genießt. Ein wichtiger Hinweis für Regierungspolitiker, die glauben, über schlichte und teuer erkaufte Schlagzeilen und bunte Bilder ihre Botschaften kontrollieren zu können. Kleiner Tipp: Das geht sowieso nicht. Also kann man die Medien inklusive ORF gleich in Freiheit arbeiten lassen. Objektive Medien müssen das tun, ob es der Regierung passt oder nicht. Nur so verdienen wir Vertrauen.

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