Wer Fadesse sät, wird Müdigkeit ernten
Wer Fadesse sät, wird Müdigkeit ernten
48 Stunden vorm heutigen EU-Wahlsonntag blitzten doch noch ein paar Sternschnuppen im langweiligsten Wahlkampf seit Langem auf. Bundespräsident Heinz Fischer lüftet auf Facebook sein Sakko und macht ein blaues T-Shirt sichtbar: " Europawahl 25. Mai – Ich bin dabei".
Neos-Parteichef Matthias Strolz, der erstmals mit Gegenwind zu kämpfen hatte, resümiert selbstironisch: "Mannomann, wenn der Wahlkampf vorbei ist, geh’ ich einen echt fetten Baum umarmen." Vielleicht auch, weil die pinke Kandidatin im Finish noch einmalig kräftig im Fettnapf rührte: "Scheiße, das ist echt schwierig", tat sie live im ORF kund, als sie einer fiktiven Mindestpensionistin erklärte sollte, wie diese von Europa profitiere.
Genau darum sollte es in den zurückliegenden Wochen jeden Tag gehen. Daran sind die künftigen EU-Abgeordneten kläglich gescheitert – eine bessere Stimmung für das Erfolgsmodell EU zu machen. Wer immer sich heute zum Wahlsieger ausruft, er wird nicht einmal von der Hälfte der EU-Bürger legitimiert sein. 2009 nahmen europaweit 43 Prozent der Wahlberechtigten teil, in Österreich fast noch jeder Zweite. Die ersten Zahlen vom heurigen Wahlgang signalisieren einen neuen Negativ-Rekord: In den Niederlanden verweigerten zwei von drei Wahlberechtigten die Stimmabgabe.
Da können Zeitungen wie diese heute einmal mehr an die Bürger appellieren: Nur wer wählt, zählt. Kein Medium der Welt kann der Politik abnehmen, ihren Job zu machen. Alle fünf Jahre ein paar Wahlkampfwochen durch die Heimat zu tingeln, kann bestenfalls eine Auffrischungs-Impfung in Sachen EU-Politik sein.
Auskunftspflicht statt Pflichtbesuch
Die Weichen für mehr EU-Müdigkeit oder mehr EU-Phorie wurden in den fünf Jahren vor und nach der Wahl gestellt. Es ist absurd, dass ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas, Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek oder Eugen Freunds Vorgänger als SPÖ-Listenführer, Hannes Swoboda, in Brüssel und Straßburg zwar gefragte Mandatare und Verhandler waren, im österreichischen Parlament aber noch immer kein Rede-Recht haben. Vice versa darf auch ihr Stimmverhalten etwa bei der EU-Glühbirne oder beim Genmais-Verbot zu Hause parlamentarisch keine Sekunde hinterfragt werden.
Wen wundert es da, dass die Mehrheit der Österreicher mit dem EU-Parlament geschweige denn dessen Repräsentanten auch 20 Jahre nach dem EU-Betritt nichts anzufangen weiß. Nur ein Pflichtbesuch alle fünf Jahre wie bei ungeliebten Verwandten ist für beide Seiten ein Pflanz. Wer das EU-Parlament auch am Tag nach der heutigen Wahl so ernst nimmt (wie es deren Abgeordnete verdienen), kann es ab morgen beweisen: Mit einer im heimischen Hohen Haus umgehend beschlossenen Einladung an die frischgewählten Mandatare Othmar Karas, Eugen Freund, Ulrike Lunacek, Harald Vilimsky, Angelika Mlinar & Co, ein Mal im Monat zu Hause über ihre Arbeit in Brüssel Rede und Antwort zu stehen.
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