Trump stolpert – nur ein Wunschdenken?

US-Wahl: Das TV-Duell hat noch nichts geändert – schon gar nicht an der Stimmung in den USA.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Der Frust und die "Change"-Stimmung sind groß in den USA, mindestens so groß wie vor acht Jahren

von Andreas Schwarz

über das TV-Duell Trump-Clinton

"Sie sieht nicht wie eine Präsidentin aus, sie hat nicht die Ausdauer dazu", sagte Donald Trump an einer Stelle in Anspielung auf die Lungenentzündung, die Hillary Clinton im Wahlkampf kurz aus der Bahn geworfen hatte. "Sobald er in 112 Länder gereist ist, kann er mit mir über Ausdauer reden", konterte die Demokratin und Ex-Außenministerin.

Die Szene steht exemplarisch für das gesamte TV-Duell der beiden amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, das zur Mutter aller Fernsehschlachten hochstilisiert worden war: Auf der einen Seite der untergriffige Donald Trump, der die üblichen Attacken auf seine Widersacherin ritt, in der Sache aber wenig sattelfest und schlecht vorbereitet war; auf der anderen Seite eine selbstsichere Hillary Clinton, die auf ihre Erfahrung pochte, sich präsidiabel gab, und die abseits des immer wieder eingesetzten Lächelns (gegen den Ruf fehlender Wärme) auch ordentlich austeilen konnte.

Bis zu 100 Millionen Amerikaner sahen die Konfrontationen, und die Mehrheit urteilte so wie fast alle Medien landauf, landab: "1:0 für Clinton", "Festspiel für die Demokratin", "Hillary hat nach TV-Duell Nase vorn".

Aber ist das wahr? Und hat sich Trump tatsächlich schon im ersten von drei TV-Duellen ins Out geschossen, wie auch der Katzenjammer bei den Republikanern vermuten lässt?

Mehrheit will Umschwung

In Wahrheit ist beim TV-Duell nichts anderes passiert als bisher im Wahlkampf auch: Clinton steht für Kontinuität und ist eine Figur des politischen Establishments. Trump hat, wie Populisten rund um den Erdball, Establishment und Kontinuität mit platten Parolen zum Feindbild erhoben. Und fast zwei Drittel der Amerikaner sind laut einer Erhebung von Reuters und dem Ipsos-Meinungsforschungsinstitut der Meinung, dass sich die USA auf dem falschen Gleis befinden, dass der "amerikanische Traum" geplatzt und für sie die Zeit des Wohlstands vorbei ist, dass es Zeit für einen Umschwung wäre.

Stimmt schon: Das sind nicht alles Trump-Wähler. Aber die Frage geht anders: Die, die es schon sind, werden sich vom Clinton-Sieg im TV-Duell nicht abhalten lassen, gegen das System und für Trump zu stimmen. Wie viele aber kann Trump ohne Konzept – doch das mit Verve vorgetragen – zusätzlich überzeugen? Immerhin gelten 27 Millionen US-Bürger noch als unentschlossen, deutlich mehr als bei den letzten Wahlen.

Im Moment hat Trump laut allen Analysen einen Rückschlag erlitten. Aber es lagen auch alle Analysen falsch, die ihm nie eine Chance auf die republikanische Kandidatur gegeben haben. Oder auch nur die, in die Nähe von Hillary Clinton zu kommen. Der Frust und die "Change"-Stimmung sind groß in den USA, mindestens so groß wie vor acht Jahren, als Barack Obama mit "Change" warb und das Weiße Haus eroberte. Der Jubel über das Clinton-1:0 im TV-Duell wirkt da eher wie ein Strohhalm der Hoffnung, dass Trump das nur noch Abholen-Müssen des Change am Ende doch verstolpert.

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