Streit oder Konsens – Wie geht Demokratie?
In der österreichischen Demokratie wird gestritten oder gekuschelt. Um die Sache geht es dabei selten.
Seit wenigen Tagen heißt die Bundesregierung also Faymann/Mitterlehner. Die ÖVP hat sich, schneller als erwartet, auf einen neuen Parteichef geeinigt. Und der hat auch noch zwei neue Kollegen in die Regierung gebracht, die nicht unbedingt nach regional-bündischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden, sondern unternehmerischen Geist mitbringen sollen. Aber was heißt das für das Funktionieren einer Regierung, wo ständig von Gemeinsamkeit gesprochen, unter der Bank aber gezwickt, gestoßen und getreten wird?
Es gibt ja Länder wie die Schweiz, die den organisierten Konsens leben und dafür die "Konkordanzdemokratie" aller Parteien entwickelt haben. Im Gegensatz dazu steht das Mehrheitswahlrecht, wo im Idealfall eine Partei auch mit weniger als 50 Prozent der Stimmen die Mehrheit der Mandate bekommt.
Seit in Österreich absolute Mehrheiten im Bund de facto unmöglich sind, leben wir den faulen Kompromiss. Jede Partei ist nur stark genug, den anderen zu blockieren. Die Auswirkungen haben wir gerade in dieser Woche in einer Studie des World Economic Forum präsentiert gekommen: Österreich ist in seiner Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückgefallen. Als Begründung werden vor allem die ständig steigende Steuerlast und die überbordende Bürokratie genannt. Und beide Erscheinungen sind eine direkte Folge des Blockade-Regierens. Steuerreformen wurden uns versprochen, Bürokratieabbau ebenfalls. Und unser Bildungssystem, das bekanntlich auch nicht mehr international mithalten kann, wird noch dazu per Verfassung blockiert. Für viele Änderungen bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit.
Faymann/Mitterlehner: Noch ein Neustart
Und noch etwas: Solange es jährlich einen Zuwachs an Wohlstand zu verteilen gab, war es nicht so wichtig, wie darüber diskutiert wurde. Die Wirtschaft wächst aber jetzt kaum noch, die Konflikte nehmen zu, aber die Politik hat keine Kultur entwickelt, damit umzugehen.
Im Zuge der Ukraine-Krise taucht noch ein weiteres Thema auf. Im Unterschied zu anderen Ländern oder früheren Zeiten gibt es in Österreich keinen außenpolitischen Konsens mehr. Die FPÖ unterstützt Putin ganz offen, ganz egal, welche russischen Kriegsaktivitäten bekannt werden oder welche Verrücktheiten russische Nationalisten äußern. Alle anderen Parteien sind für Solidarität mit der überfallenen Ukraine. Das hat es in Österreich so noch nie gegeben. Einigkeit aller Parteien gibt es nur bei der Verbeugung vor Zeitungen, die mehr mit bunten Bildern als mit geraden Sätzen informieren, dafür aber vom Steuerzahler finanziert werden. Das gibt es in keinem anderen demokratischen Land.
Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner haben ein gemeinsames Exklusivinterview für den KURIER am Sonntag gegeben. Sie versprechen – wieder – gemeinsames Handeln, werden es aber wohl niemandem verdenken können, der skeptisch auf diesen Neustart schaut.
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