Jetzt muss Merkel wieder Europa retten

Es ist ein anders Bild als noch vor ein paar Monaten in Griechenland: Kein Hitler-Bärtchen, keine Schmäh-Transparente – in Syrien wird Angela Merkel auf Plakaten fast vergöttert, Flüchtlingskinder werden nach der deutschen Kanzlerin benannt, und wenn Flüchtlinge gefragt werden, wo sie hin wollen, rufen sie "Germany, Germany".

Die Flüchtlingskrise, die heuer mit so eminenter Wucht in Europa angekommen ist, wird wegen der Zielvorstellungen der Migranten auch und vor allem ein deutsches Problem. Fast meint man, ein wenig Aufatmen zu verspüren, von Mazedonien über Ungarn bis Österreich, dass der Strom ohnedies nur durchziehen will.

Das ist – wieder einmal – die Stunde der Angela Merkel. Die Kanzlerin, die Griechenland rettet (und das hat sie entgegen vieler Unkenrufe vermutlich getan) und den Euro gleich mit, die Europa in Sachen Putin leitet, muss angesichts 800.000 erwarteter Flüchtlinge alleine in diesem Jahr Deutschland retten. Und sie kann das nur, wenn sie einmal mehr die Führungsrolle übernimmt und Motor ist für eine europäische Flüchtlingsquote, für eine Dublin-III-Adaptierung, für verstärkte Hilfe und Erstaufnahmelager vor Ort.

Angela Merkel mag nicht über die politischen Visionen verfügen, die ein Willy Brandt oder Helmut Schmidt gehabt haben, nicht über die hemdsärmelige Durchsetzungskraft eines Helmut Kohl. Sie ist eine, die lange zuwartet und abwägt ("merkeln" nennen das Spötter). Und sie hat zu Hause mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen (eine aktive Neonazi-Szene, einen populistischen Partner namens CSU). Aber sie hat diese Woche deutliche Pflöcke eingeschlagen, in welche Richtung ihre Flüchtlingspolitik gehen will. Und wem sonst in Europa traute man zu, das auch zu schaffen – und damit wieder einmal Europa zu retten?