Ein EU-Chef muss Boulevard überstehen
Attacken der britischen Presse beweisen: Juncker ist genau der Richtige als Präsident der EU-Kommission
Das "Mutterland der parlamentarischen Demokratie" nennen wir Großbritannien, mit Grund. Auf der Insel wird aber auch der widerlichste Boulevardjournalismus betrieben, den es weltweit gibt. Eine inzwischen eingestellte Zeitung Rupert Murdochs ließ die Telefone von Prominenten abhören, nun betreibt seine Sun eine beispiellose Kampagne gegen Jean Claude Juncker, um zu verhindern, dass dieser Präsident der EU-Kommission wird. Junckers Schwiegervater sei Nazi gewesen, schreibt die Sun, sein Vater habe in der Wehrmacht gedient. Faktum ist, dass Junckers Vater im Zweiten Weltkrieg im besetzten Luxemburg zwangsverpflichtet wurde und seine christlich-soziale Familie mehrere Opfer der Nazi-Herrschaft zu beklagen hatte.
Der konservative Premierminister Cameron ist gegen Juncker, das ist sein gutes Recht. Aber hätte er den nötigen Anstand, würde er Juncker in Schutz nehmen. Cameron fürchtet sich vor Murdoch wie schon der frühere Labour-Premier Tony Blair. Mit Politikern, die vor dem Boulevard buckeln, ist kein Staat zu machen, auch keine Europäische Union.
In England bekommen Gratiszeitungen wenigstens keine Millionen vom Staat, wie bei uns in Österreich. In keinem Land der Erde wird Steuergeld zur Volksverdummung so großzügig verteilt wie hier. Der arme Alois Mock, ein visionärer Politiker mit Anstand, ist leider von seiner Parkinson-Krankheit gezeichnet. Zum 80. Geburtstag des Ex-Vizekanzlers beschrieb KURIER-Autor Georg Markus einfühlsam, dass Mock kaum sprechen kann, ein Gratisblatt druckte trotzdem ein "Interview" ab. Wir müssen diese Form von "Journalismus" ertragen. Aber auch mit unserem Steuergeld finanzieren?
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