Die EU kämpft mit Problemen – na und?

Niemand hat ein Patentrezept für die Flüchtlingskrise – Europa krankjammern ist schon gar keines.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Wieso soll diese Union als Produkt ihrer Einzelstaaten die richtige Antwort haben?

von Andreas Schwarz

über das Krankjammern der EU

Es ist wieder einmal eine entscheidende Woche für die Europäische Union: Beim Gipfel am Donnerstag und Freitag wird der Versuch, eine gemeinsame Lösung für die Flüchtlingsproblematik auf die Beine zu stellen, de facto zu Grabe getragen – immer mehr Staaten verfolgen die Zaun-zu-Politik oder scheren, wie zuletzt Frankreich, aus der sogenannten Koalition der Willigen aus. Und das Hauptthema des Gipfels, die britischen Sonderwünsche an Europa, sonst "Brexit", beschreibt nicht weniger als eine Erpressung der EU durch eines ihrer Mitglieder.

"So what", könnte man ebenfalls britisch darauf antworten. Das meint nicht, dass sich Großbritannien eben trollen soll, sondern dass man im Krisengeheul um den Zustand der Union die Kirche im Dorf lassen soll. Denn was ist schon passiert?

Europa ist mit einer Flüchtlingswelle konfrontiert, die es vorhersehen hätte können/müssen, aber nicht hat (Fehler). Ein Teil Europas hat unter Federführung Angela Merkels humanitär reagiert und die Grenzen geöffnet (kein Fehler). Der weitere Plan, etwa die Aufteilung von Flüchtlingen in der EU, ist an vielen Egoismen und an der beispiellosen Unsolidarität der Osteuropäer gescheitert. Andere Maßnahmen, wie die Errichtung von Hotspots, die Stärkung der Außengrenzüberwachung oder die Absprache mit der Türkei erfolgten viel zu langsam.

Plötzlich soll Europa es lösen

Geschenkt. Aber: Ist das Flüchtlingsthema nicht eines, das in dieser Dimension völlig neu ist? Das noch ganz andere Dimensionen bekommen kann? Auf das in seiner Komplexität niemand eine Patentantwort hat, die alle Aspekte von Menschlichkeit bis Machbarkeit berücksichtigt? – Wieso soll dann die EU, die immer für alles gescholten wird und deren angebliches Unvermögen am Stammtisch wie auf dem nationalen politischen Parkett allerliebster Reibebaum ist, wieso soll diese Union als Produkt ihrer Einzelstaaten die richtige Antwort haben? Muss sich Versagen nachsagen lassen, weil sie sie nicht hat?

Und was Großbritannien betrifft: Von Harold Wilson und Margaret Thatcher weg ("We want our money back") haben die Briten ihre europäischen Extrawürste gebraten, das ist nicht neu. Und dass Großbritannien ohne Europa glücklicher wäre, glaubt auch Herr Cameron nicht.

Man könnte aus beiden Krisen auch Lehren für die Europäische Union ziehen: Wie geht man künftig mit Nicht-Solidarität um? Wie beschleunigt man Entscheidungen? Was spricht gegen ein Kern- und ein Rundum-Europa? Welche Forderungen der Briten machen Sinn für die gesamte Union?

"Die europäische Einigung erfährt eine der größten Belastungsproben ihrer Nachkriegsgeschichte", schreibt der deutsche SPD-Chef Siegmar Gabriel in einem Brief an seine europäischen Genossen, Institutionen wie Euro und Schengen-Raum seien gefordert – "dennoch zweifle ich, ob wir gut beraten sind, so oft und zunehmend alarmiert den Zerfall der EU an die Wand zu malen". Genau: Das sollte man den Straches & Co. überlassen. Die Union wäre mehr wert.

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