Kern macht sich slim-fit für Neuwahl

Linkswende beim Geld? Rechtswende bei Asyl? Die Debatte um den Kurs des Kanzlers geht am Kern vorbei.
Josef Votzi

Josef Votzi

Links- oder Rechtswende? Christian Kern macht sich slim-fit für Neuwahl.

von Josef Votzi

über den Kurs des Kanzlers

Erst die Wiederbelebung der "Maschinensteuer"; dann die Offensive gegen CETA und TTIP; und jetzt die Forderung, mehr Milliarden in öffentliche Investitionen zu stecken. Für die ÖVP ist der Fall sonnenklar: Der neue SPÖ-Chef will seine Partei nach links rücken. ÖVP-Chef Mitterlehner rüffelte Kern vor versammelter Regierungsmannschaft, Finanzminister Schelling lässt ihn wissen, er sei ein "linker Ideologieträger".

Aber warum ist, wenn zwei Politiker total unterschiedlicher Herkunft das Gleiche fordern, der eine ein gefährlicher Linker? Im Fall des Disputs um die Verdopplung der EU-Milliarden als Impuls für mehr öffentliche Investitionen kann Kern gleich zwei Christdemokraten als Bündnispartner nennen: Den EU-Kommissionspräsidenten, der gestern genau das als seinen Plan präsentierte. Und Ex-ÖVP-Chef und Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer, der seit mehr als einem Jahr mit der praktischen Umsetzung des Juncker-Plans beauftragt ist. Wer oder was ist hier total links? Das alte Rechts-links-Schema taugt auch hier nicht. Der Juncker-Plan ist eine Mixtur aus alten Staatsinterventionismus und Anreizen für private Investoren.

Die wahren Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind die: Was sagt der Christdemokrat Jean-Claude Juncker dazu, dass ein Regierungschef ein gemeinsames Vorhaben wenige Tage vor Bekanntgabe als Forderung in einer renommierten Zeitung platziert? Und wie wirksam kann die doppelte Dosis einer Medizin sein, die schon jetzt nur sehr schwach nachgefragt wird?

Mehr schrilles Schwarz-Weiß statt fades Grau

Wer Kerns Auftritte in den letzten Wochen beobachtet, kommt zu dem Schluss: Der Kanzler, der gern eng geschnittene Slim-fit-Anzüge trägt, macht sich slim-fit für Neuwahlen. Dazu setzt er täglich eine neue Duftmarke. Mit dem Abgesang auf das rot-schwarze Duett nach dem Ministerrat will er signalisieren: Es gibt nur einen Chef – und der bin ich. Die Absage an CETA/TTIP ist eine doppelte Verbeugung – vor dem Boulevard und dem globalisierungskritischen Lager in seiner Partei.Kern ist offenbar davon überzeugt, dass in Hoch-Zeiten für Rechtspopulisten Schwarz-Weiß und nicht fades Grau angesagt ist. Der SPÖ-Chef will zuvorderst das total verwaschene Profil seiner Partei schärfen. In Sachen Asyl schwenkt er auf den populäreren rechten Kurs ein, in Sachen EU & Wirtschaft blinkt er unübersehbarer links.

Denn eines hat er nicht zuletzt aus dem US-Wahlkampf gelernt, wie er jüngst freimütig erzählte. Bei einem der TV-Duelle zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders ging es um das in den USA heiß diskutierte Fracking. Clinton wog sechs Minuten lang pro & kontra zur Gewinnung von Schiefergas ab – um am Ende zu einem "Ja, aber" zu kommen. Sanders sagte schlicht ein Wort: Nein.Dass es Kern zumindest in Sachen Kommunikation mehr mit Sanders als mit Clinton hält, ist seit der radikalen Absage an die Freihandelsabkommen CETA/ TTIP klar.

In den USA würde man zu all dem schlicht nur sagen: It’s the marketing, stupid.

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