Ein Strafrecht mit mehr Gleichgewicht

Ein misshandeltes Kind und Diebstahl – das muss mit zweierlei Maß gemessen werden.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Wer sein Kind zum Krüppel prügelt, hat höchstens fünf Jahre Haft zu befürchten.

von Ricardo Peyerl

über die Reform des Strafgesetzbuches

Was muss jemand anstellen, damit ihm der Richter bei Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens eine zehnjährige Haftstrafe aufbrummen kann? Zum Beispiel etwas stehlen, das so viel wert ist wie – das Erbrochene eines Pottwals. Es wird Amber genannt, in der Parfumindustrie eingesetzt und soll 50.000 Euro wert sein. Wer aber sein Kind zum Krüppel prügelt, hat höchstens fünf Jahre Haft zu befürchten.

Seit Jahrzehnten wird dieses Ungleichgewicht der Strafdrohungen bei körperlich bzw. seelisch und bloß im Börsel spürbaren Folgen einer Tat kritisiert. Der Punkt muss für die von Justizministerin Karl eingesetzte Reformgruppe zur Runderneuerung des Strafgesetzbuches an der Spitze stehen. Auch wenn der oberste Strafrichter des Landes meint, ein krimineller Griff nach dem Vermögen könne genauso wehtun wie der Schlag, der das Opfer ins Streckbett befördert.

Auch sollte im neuen Strafgesetzbuch die Diversion, die Alternative zur herkömmlichen Aburteilung bei Alltagsdelikten, eine größere Rolle spielen; selbstverständlich mit Ausnahme von schweren Gewalt- und Sexualverbrechen. Allen voran der Außergerichtliche Tatausgleich, der bei den Opfern großen Anklang findet, weil sie dort wie sonst nirgendwo Beachtung finden.

Aber das ausgeglichenste Strafgesetzbuch kann nichts ausrichten, wenn es die Richter nicht ausschöpfen. Wie sonst kann es sein, dass die Mutter des im Alter von 13 Monaten totgeprügelten Mirel zu fünf Jahren, jene des zu Tode misshandelten Luca zu einem Jahr und jene des erschlagenen Cain nur zu zehn Monaten Haft verurteilt worden sind? Bei Kindesmisshandlung mit Todesfolge wären bis zu zehn Jahre möglich gewesen. Die hat man sich wohl für das Delikt „Entziehung von Energie“ aufgespart, auch darauf stehen bis zehn Jahre Haft.

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