Die ÖVP ist keine staatstragende Partei mehr
Die ÖVP ist keine staatstragende Partei mehr
Die ÖVP-Minister waren genauso überrascht wie der Rest des Landes. Erst als sie heute früh zur Ministerratsvorbesprechung zusammenkamen, erfuhren sie vom Rücktritt Michael Spindeleggers. Die wichtigste Voraussetzung für das Amt des ÖVP-Obmanns ist ja die Leidensfähigkeit. Aber die wurde bei Spindelegger zu oft und zu lange strapaziert. Er wollte einfach keine Zurufe von Landeshauptleuten bis zu AK-Präsidenten hören. Letztlich hat er politisch vereinsamt, nur mit seiner Familie entschieden.
Sein entscheidender Fehler war es, nicht selbst auf eine Steuerreform zu drängen und dabei der SPÖ dringend notwendige Reformen abzuverlangen. Aber eine Partei, die so viel von Leistung spricht, muss irgendwann die jedes Jahr schwerer werdende Steuerlast von der arbeitenden Bevölkerung nehmen.
Dazu kommt, dass Spindelegger vor der letzten Regierungsbildung viele Reformen versprach, letztlich aber ein Regierungsprogramm ohne jeden Ehrgeiz unterschrieb.
Die ÖVP ist inzwischen nicht mehr, worauf sie so lange stolz war: eine staatstragende Partei. Die Macht liegt in den Ländern, bei den Bünden, bei Gewerkschaftsorganisationen, bei Einzelpersonen, bei pressure groups. Um den Gesamtstaat, um Österreich geht es nicht mehr.
Ein kluger ÖVP-Mann hat kürzlich gemeint, SPÖ und ÖVP müssten endlich mit ihrer Klientelpolitik aufhören. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzt, gäbe es eine Chance auf einen Neuanfang. Als neuer Parteiobmann und Finanzminister steht eigentlich nur Reinhold Mitterlehner zur Verfügung. Sebastian Kurz würde jetzt sinnlos verheizt, anderen fehlt die Akzeptanz in weiten Teilen der Partei.
Freilich gibt es auch Stimmen in der ÖVP, die jetzt im Gang in die Opposition Vorteile sehen. Dann bricht in der Partei endgültig Chaos aus – und darauf folgende Neuwahlen würden die ÖVP nochmals schrumpfen lassen.
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