Die neue Weltunordnung
Freiheit und Demokratie sind grundsätzlich überlegen, Stabilität garantieren sie nicht unbedingt.
Heute vor 25 Jahren war die Berliner Mauer plötzlich offen. Nur 28 Jahre hatte das grausame Bauwerk gehalten. Letztlich ist das passiert, was der Ost-Berliner Kommunist Walter Ulbricht im Jahr 1961 verhindern wollte: Die DDR ist ausgeblutet. Verlassen von Hunderttausenden Menschen, erstickt am ineffizientesten Wirtschaftssystem der Geschichte.
Eines hatte der Kalte Krieg garantiert: Stabilität durch das Gleichgewicht des Schreckens. Aber nicht der Zerfall des Ostblocks hat die Unruhe gebracht, die gab es schon zuvor, als Michail Gorbatschow eingestand, was die anderen Kommunistenführer auch wussten – dass sie ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren konnten.
Doch der ewige Frieden, den das überlegene System von Demokratie und Rechtsstaat verheißen wollte, ist nicht eingetreten. Und in den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass es global keine politische Kraft gibt, die für Stabilität sorgen kann.Was auch immer uns die russische Propaganda erzählt – die Wirtschaft des riesigen Landes spürt die Sanktionen des Westens ganz massiv. Aber genau das stärkt die nationalen Gefühle, mit denen Wladimir Putin meisterhaft spielt. Also wird er die Ukraine nicht in Ruhe lassen.
Barack Obama hat andere Sorgen, als sich dort einzumischen. Seit den Wahlen vom Dienstag muss er gegen den Kongress regieren. Das hat schon geschicktere Präsidenten in Schwierigkeiten gebracht. Dabei wächst die US-Wirtschaft um beachtliche 3,5 Prozent im dritten Quartal, das Haushaltsdefizit ist auf das niedrigste Niveau seit 2008 gefallen. Aber der nächste Präsidentschaftswahlkampf steht vor der Tür, da werden sich die USA international weniger engagieren. Das Chaos im Nahen Osten wird Europa immer stärker spüren, durch zunehmende Flüchtlingsströme und Terroranschläge.
Europa schwankt, China experimentiert
Der neue EU-Kommissionschef hat vorerst aber ganz andere Sorgen. Als Regierungschef seines Landes hat der Luxemburger Juncker ein System der – vielleicht – legalen Steuervermeidung entwickeln lassen, das der Europäer Juncker nun stoppen muss. Wenn er das nicht bald tut, wird er für seine Kommission keine Glaubwürdigkeit erhalten. Dabei hat er wirklich sinnvolle Konzepte, etwa zur Investition von 300 Milliarden Euro. Wenn das nicht gelingt, dann gute Nacht, Europa. Eine Gemeinschaft, die den Jungen keine Perspektiven auf einen Arbeitsplatz bieten kann, gibt sich selbst auf.
Gleichzeitig läuft in China ein Experiment, dessen Ergebnis völlig offen ist. Das Reich der 1,3 Milliarden Menschen hat sich ökonomisch so rasant entwickelt, wie keine Volkswirtschaft je zuvor. Aus den Kopierern von Autos und Computern sind innovative Forscher geworden. Jetzt will die kommunistische Führung den Rechtsstaat durchsetzen. Das wäre völlig systemwidrig, weil im Kommunismus immer die Partei recht hat.
Freiheit und Demokratie sind grundsätzlich überlegen, Stabilität garantieren sie freilich nicht unbedingt.
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