Die Hoffnung auf "Weg aus der Hölle" lebt
Todfeinde Iran und Saudis reden erstmals miteinander. Das macht Hoffnung im Syrien-Drama
Der "EU-Flüchtlingsgipfel" vergangenen Sonntag in Brüssel war von Anfang an eine kleine Mogelpackung: Am Tisch saßen nicht wie insinuiert die Regierungschefs aller EU-Staaten, um sich endlich gemeinsam der Verantwortung für eine faire Verteilung der Kriegsflüchtlinge zu stellen. Getroffen haben sich ausschließlich die Premiers jener Länder entlang der Balkanroute, auf der sich täglich Tausende Menschen neu auf den Weg von Griechenland nach Deutschland machen.
Das verlautbarte Ergebnis: Ein Netz von Ansprechpartnern werde mehr Ordnung in die Migrationsströme bringen. Statt die Flüchtlinge nur weiter nach Norden durchzuwinken, sollen am Balkan hunderttausend winterfeste Quartierplätze eingerichtet werden. Ein sichtbarer Effekt ist noch nicht auszumachen. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnt Tage danach einmal mehr vor einem "Zerfall der EU".
Was zunimmt, ist das kollektive Gefühl: Die EU-Spitzenpolitik klettert von Gipfel zu Gipfel, es reicht aber oft nicht einmal mehr zum kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Politik erstarrt generell immer zum Ritual; zur großen Geste mit kleinem Gehalt; Demokratie ergeht sich immer öfter in einer Abfolge von pompösen Inszenierungen mit leeren Händen. Bei den Geschichtsvergessenen erweckt das immer öfter und lauter den Ruf nach dem starken Mann. Die meisten anderen richten es sich – von der Politik enttäuscht – im neuen Biedermeier ein: Mehr privat, weniger Staat. Politik by Gipfelsturm gerät so immer öfter zu einem Beitrag zur weiteren Entpolitisierung.
Weichen in Flüchtlingskrise in Wien gestellt
Als seltener Lichtblick zumindest begann jener Gipfelreigen, der vor einer Woche im Wiener Imperial ein scheinbar utopisches Ziel ins Auge nahm: die Befriedung Syriens. Eine Woche danach saßen gestern bereits 19 Außenminister, darunter erstmals auch die beiden Todfeinde Iran und Saudi-Arabien, an einem Tisch. Der seit fünf Jahren tobende Bürgerkrieg hat Hunderttausende Tote gefordert und Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Die Weichen dafür, ob die vielen Verzweifelten wieder einen Platz zum Leben in ihrer alten Heimat finden, werden nun in Wien gestellt.
Das Treffen im kleinen Kreis vor einer Woche und die Erweiterung zur gestrigen großen Runde waren aber nur der Auftakt. US-Außenminister John Kerry ist in Wien mit dem Vorsatz eingetroffen, "einen Weg aus der Hölle" zu finden. Der Weg wird lang und steinig werden. Ob er am Ende zum Ziel führt, kann noch niemand sagen.
Dass der Gipfelreigen in Wien zumindest eröffnet wurde, ist der Beharrlichkeit der österreichischen Diplomatie und Außenminister Sebastian Kurz zu verdanken. Die Profis des Außenamts nutzten nach dem erfolgreichen Abschluss des Atom-Deals mit dem Iran im Palais Coburg das "window of opportunity". Der Außenminister warb, wo immer er konnte dafür, Wien auch als Austragungsort für den nächsten diplomatischen Hochseilakt zu nutzen.
Den Weg für sinnvolle Syrien-Gespräche machten erst diese Woche die USA endgültig frei: Das sofortige Aus für Assad ist keine unverrückbare US-Bedingung mehr. Nach der zweiten Runde der Syrien-Gespräche hat schon das als erster Erfolg zu gelten: Die Hoffnung auf Frieden in der syrischen Kriegshölle lebt. Das Vokabel "Optimismus" halten alle Beteiligten aber noch für viel zu hoch gegriffen.
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