Die Freiheit – eine unterschätzte Lust
Der Erfindungsreichtum, den die Parteien und die ihr zugehörigen Interessensvertretungen entwickelten, ist beachtlich.
In der Steuerdebatte wird ein Gesichtspunkt zu wenig beleuchtet: Die beiden Regierungsparteien sind, wie auch FPÖ und Grüne, grundsätzlich der Meinung, dass der Staat das Geld der Steuerzahler besser verwaltet, als diese es könnten. Also erfanden Regierungen immer neue Gesetze zur Verwaltung des Menschen und die dazugehörige – teure – Umsetzung. Die ÖVP redet zwar gerne vom mündigen Menschen, aber eine Partei, die seit Jahrzehnten immer höhere Steuern eintreibt, kann das nicht ernst meinen. Da eine neue Zulage, dort eine höhere Pendlerpauschale, da neue Schutzbestimmungen, dort neue Fördermodelle.
Der Erfindungsreichtum, den die Parteien und die ihr zugehörigen Interessensvertretungen (mit Zwangsbeiträgen) entwickelten, ist beachtlich. An die Freiheit des Einzelnen, sein Leben zu gestalten, denkt kaum jemand. Ja, man traut uns ja nicht einmal zu, unser Geld richtig einzuteilen, deshalb gibt es Weihnachts- und Urlaubsgeld, das wenigstens – noch – niedriger besteuert wird.
Der Erfolg der Neos lässt darauf schließen, dass sich das ändert, weil vor allem junge Leute nicht mehr glauben, dass der Staat für sichere Arbeitsplätze und Pensionen sorgt. Es ist kein Zufall, dass das Liberale Forum scheiterte und die Neos sich durchsetzen. In den sechs Jahren, seit das LIF aus dem Nationalrat ausgeschieden ist, hat sich im Bewusstsein des Landes etwas verändert.
Ein Land ohne liberale Traditionen
Der Liberalismus hatte es im Habsburgerreich und den nachfolgenden Republiken nie leicht. Die Revolution von 1848 dauerte gerade einen Sommer, die Sozialdemokratie kämpfte für die Arbeiter, die Christlich-Sozialen für das Kleinbürgertum. Die autoritäre Prägung durch Partei oder Kirche gehörte jeweils dazu.
Themen des klassischen Liberalismus spielten bei uns nie eine große Rolle: Bürgerrechte, Schutz des Individuums oder die Freiheit der Berufsausübung sind seit jeher unterbelichtet. Der Staat sorgt vor, also darf er auch überwachen. Der Staat ist gleichzeitig auch Unternehmer, also darf er auch entscheiden, wer welchen Beruf ausübt. Und im Zweifel treten Berufsorganisationen an seine Stelle, geregelt durch staatliche Gesetze und ausgestattet durch das Geld der Bürger, die dafür zahlen müssen.
Inzwischen gibt es in Österreich über 250.000 EPUs, Einpersonenunternehmen, dazu viele Kleinbetriebe, die unter der Steuerlast stöhnen. Aber viele genießen auch die gewonnene Freiheit. Und im Europa der offenen Grenzen sind Themen wie Überwachung oder Bürgerrechte plötzlich präsenter. Oder die Freiheit, sein Leben in beruflicher, partnerschaftlicher, auch sexueller Hinsicht frei zu gestalten. Aktuell ist auch ein vom Justizminister gewünschter liberalerer, rechtsstaatlicher Zugang zu Strafrecht und Strafvollzug. Freiheit hat für die Menschen immer weniger unerwünschte Nebenwirkungen, macht Freude, sogar Lust. Freiheit ist viel mehr als weniger Steuern zu zahlen und mehr verfügbares Einkommen zu haben, aber das gehört auch dazu.
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