Die Angst als dritter Koalitionspartner
Wir diskutieren, warum sich Regierung und Bevölkerung so schwer mit Veränderungen tun.
Neulich in der Redaktion: Wir diskutieren, warum sich Regierung und Bevölkerung so schwer mit Veränderungen tun. Überall in Europa wurde das Rauchen früher erschwert als bei uns. Anderswo wurden auch das Pensionsalter angehoben oder Arbeitsmarktreformen durchgeführt. Länder wie die Schweiz melden seit Längerem fallende Arbeitslosenzahlen, in Deutschland war die Arbeitslosenrate so niedrig wie zuletzt vor 24 Jahren. Bei uns steigt die Zahl der Jobsuchenden. Was ist los mit Österreich? Was läuft schief?
Als mögliche Antwort wurde das System der Sozialpartnerschaft genannt, das lange Zeit Konflikte abfederte oder verbarg – das Wachstum erleichterte Kompromisse. Aber die Partner sind müde und unleidlich geworden. Und die Regierung, die früher gerne abwartete, bis Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Einigung signalisierten, ist zu schwach und zu zerstritten, um in das Vakuum vorzudringen. Und sie ist ängstlich, weil Reformen natürlich Widerspruch hervorrufen. Wer nicht einmal Registrierkassen flott durchbringt soll den Arbeitsmarkt reformieren? Dass sie das nicht kann, wird der heutige – zweistündige(!!!) – Gipfel zeigen.
Also werden uns Statistiken und Studien weiter vorrechnen, dass wir zu früh in Pension gehen, zu wenig Geld in Forschung investieren, zu hohe Steuern zahlen, zu hohe Arbeitskosten und zu viele Spitalsaufenthalte haben – verglichen mit vergleichbaren Staaten. Und verdutzt in die Schweiz schauen, wo man die Arbeitszeit erhöhte, als der hohe Franken den Export gefährdete. Die Regierung wird beobachten, wie anderswo Reformen funktionieren. Und sich fürchten, selbst welche zu machen. Allerdings: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Kommentare