Der Rücktritt, eine unterschätzte Kunst

Der Salzburger Landesrat David Brenner hat mit seinem Rücktritt eine unösterreichische Tat gesetzt.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Der glückliche österreichische Politiker denkt sich sein Teil und wurschtelt weiter.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den Abgang von SPÖ-Landesrat Brenner

Früher, als alles besser und vieles einfacher war, hatten wenigstens Fahrräder einen Rücktritt. Man musste nur gegen die Fahrtrichtung treten, um zu bremsen. Heute ist jede Form von Rücktritt fast ausgestorben, auch David Brenner hat über eine Woche für den einzig richtigen Schritt gebraucht. Ein Politiker, der aus Überzeugung sein Amt zurücklegte, war Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčevič. Als er das 13. Schuljahr nicht durchsetzen konnte, nahm er seinen Hut. Das war 1969. Nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976 trat Stadtrat Fritz Hofmann zurück. Das war’s.

Seither krallen sich Politiker an ihr Amt, auch wenn die Würde schon längst verloren ist. Mit Verwunderung blicken wir nach Deutschland, wo politische Verantwortung stets mehr als eine Floskel war. Anklagen, Niederlagen oder Millionenverluste – da mögen andere zurücktreten. Der glückliche österreichische Politiker denkt sich sein Teil und wurschtelt weiter. Auch Frau Burgstaller wäre nach deutschen Maßstäben nicht mehr im Amt.

Auf der Suche nach den Motiven für die Absenz jeglichen Genierers hilft ein Blick in die Geschichte. Unsere Regierenden sind ja täglich von der Pracht vergangener Tage umgeben, egal, ob in den Gemäuern der Habsburger in Wien oder der Bischöfe im Salzburger Chiemseehof. Weltliche und kirchliche Herrscher spürten da eine göttliche Legitimation ihrer Regentschaft – oder taten zumindest so. Kaiser Franz II. gab unter dem Druck Napoleons sein Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation auf, aber nicht sein Kaisertum. Er machte halt 1806 als Kaiser Franz I. von Österreich weiter.

Neue Karriere nach Rücktritt möglich

Die durch die Insignien der Macht Gesalbten tun sich schwer, zwischen Person und Amt zu unterscheiden. Und fürchten, wieder als Person, nicht mehr als Amtsträger wahrgenommen zu werden. Dazu kommen Existenzängste wegen geringer Berufserfahrung und die Furcht, nie wieder in die Politik zurückzukönnen.

Auch hier hilft ein Blick nach Deutschland. Grünen-Chef Cem Özdemir trat 2002 zurück, weil er dienstlich erworbene Bonus-Meilen privat verwendet hatte. Sechs Jahre später wurde er Parteichef. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ( FDP) legte 1996 das Amt der Justizministerin zurück, weil sie gegen die Überwachung durch den „Großen Lauschangriff“ war, seit 2009 ist sie wieder im Kabinett. Rudolf Seiters (CDU) trat 1993 als Innenminister zurück, als bei einer Polizeiaktion zwei Menschen getötet wurden. Er kam als Vizepräsident des Bundestags zurück. Egal, ob es um persönliches Versagen, inhaltliche Überzeugung oder politische Verantwortung ging, jeder wusste, was zu tun war. So retteten sie zuerst ihre Würde und bekamen wieder ein Amt.

David Brenner hat als Landesrat versagt. Seine Reputation kann er jetzt durch erfolgreiches Agieren in der Privatwirtschaft retten. So könnte ihn ein Leben jenseits der Politik für künftige öffentliche Ämter qualifizieren. Das wäre endlich mal ein positives Beispiel.

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