Der komische Kampf um die Multikultis

Die TV-Aufwallung des Kanzlers erzählt viel über das schräge Verhältnis zwischen Parteien und Migranten.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Die Aufregung des SPÖ-Chefs stand in keinem Verhältnis zum Anlass.

von Dr. Christian Böhmer

über den Wahlkampf

Mitunter sind Politiker übellaunig, das kommt vor, das geht uns allen so. Bisweilen werden sie gallig, in Wahlkämpfen auch öfter – man steht unter einigem Druck. Und dann gibt es noch die seltenen Momente, in denen politische Führungskräfte so richtig die Contenance verlieren, sie „zucken“ aus – und genau das passierte am Dienstag dem Kanzler: Im TV-Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sah sich Werner Faymann derart provoziert, dass er die finalen Minuten damit verbrachte, den Blauen zu verbellen (siehe hier). Das Bemerkenswerte daran: Die Aufregung des SPÖ-Chefs stand in keinem Verhältnis zum Anlass. Was war passiert?

Strache hat dem Kanzler zwei Werbe-Flyer gezeigt, auf denen in türkischer Sprache um Stimmen für die SPÖ geworben wird. Geht’s nach den Fakten, hätte der erfahrene Wahlkämpfer Faymann gelassen antworten müssen, in etwa so: „Na und, Herr Strache, wo ist das Problem? Fremd- bzw. mehrsprachige Flyer gehören seit den 90er-Jahren in allen Großparteien zum Wahlkampf. Sie sind eine Möglichkeit, um den geschätzten 500.000 bis 800.000 Österreichern mit Migrationshintergrund zu sagen: ,Wir finden’s gut, dass ihr euch in mehreren Kulturen und Sprachen auskennt, bitte wählt uns!‘“

Faymann sagte freilich nichts dergleichen, und das liegt wohl daran, das die Groß-Parteien ein eher seltsames Verhältnis zu den Migranten pflegen. Sie wollen zwar die Stimmen der Migranten-Gemeinden, gestehen das aber aus Angst vor den eigenen Stammwählern nur verschämt ein, sagt etwa Integrationsexperte Kenan Güngör. „Wählt’s uns, aber redet’s nicht drüber“ als Motto? Hoffen wir, dass Güngör irrt. Denn hätte er recht, wären die Groß-Parteien ausnehmend zynische Wahlkämpfer. Und das wäre dann wirklich ein Grund zum Auszucken.

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