Bitterer Freispruch für krankes System

Eine Patientin starb, weil es im Spital schwere Mängel gab. Der Richterin war das zu wenig.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Eine Patientin ist tot – macht 6300 Euro Geldstrafe.

von Ricardo Peyerl

über den Kunstfehler-Prozess

Eine junge Frau wird nach einer „vollkommen harmlosen“ Operation (Zitat des Chirurgen) mit Schmerzmedikamenten vergiftet und stirbt. Im Turnusarzt, der den Oberarzt nicht behelligen wollte (durfte?) und in Eigenregie überdosiert hat, ist schnell ein Schuldiger gefunden. Geldstrafe – und das war’s? Seit 2006 gibt es das mit einem sperrigen Wort überschriebene Verbandsverantwortlichkeitsgesetz. Das trifft auch Spitäler und stand nun im Prozess gegen das Krankenhaus Göttlicher Heiland (siehe Bericht in Chronik) erstmals auf dem Prüfstand. Eine intensivmedizinische Koryphäe kritisierte als Gutachterin scharf das „dürftige Wissen“ der Ärzte über Schmerztherapie und Nebenwirkungen. Und sie lastete der Klinikleitung an, sich nicht um diesen mangelnden Wissensstand ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Mit 6000 Operationen pro Jahr ist das Spital gut im Geschäft. Aber gewisse Behandlungen dürfe man halt nicht anbieten, wenn die sorgfältige Überwachung nicht gewährleistet werden könne.

Damit steht der Göttliche Heiland nicht allein da. Es ist verbreitet üblich, überarbeiteten Turnusärzten und Krankenschwestern mehr Verantwortung umzuhängen, als ihre Erfahrung und Qualifikation erlauben. Und es ist gängige Praxis, dass man ab den frühen Abendstunden und am Wochenende kaum noch einen Oberarzt zu Gesicht bekommt. Jetzt wäre Gelegenheit gewesen, den Spitalserhalter mit strafrechtlichen Folgen in die Pflicht zu nehmen. Mit Folgen, die in Geldbußen und Verlust von Ansehen spürbar sind – und ein Gewinn für die Patienten wären. Leider konnte sich die junge Richterin nicht zur ersten Verurteilung eines Spitals durchringen.

Damit bleibt’s, wie es immer war: Eine Patientin ist tot – macht 6300 Euro Geldstrafe.

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