Achtung, Promi frisch auf Politiker gestrichen
Kurz und Pilz haben eines gemeinsam. So viele neue Gesichter wie nie sollen ihren Glanz mehren.
Am Anfang war die First Lady aus der schillernden Welt des Opern-Balls, am Ende der hochseriöse Ex-Chef-Kontrollor aus der staubtrockenen Welt des Rechnungshofs. Dazwischen ein paar Ex-Missen, Winzerköniginnen – und als intellektueller Aufputz der Populär-Wissenschafter Rudolf Taschner. Der Plan von Sebastian Kurz, die Startaufstellung für die Wahl 2017 neu aufzumischen, ist aufgegangen: Alle paar Tage ein, zwei neue besonders prominente Kandidaten zu präsentieren, beschert alle paar Tage auch neue mediale Aufmerksamkeit – aber auch eine seltsame Mixtur aus Eifersucht, Zorn und berechtigter Kritik. "Mich erinnert das stark an Eventpolitik, wie sie einst Haider vorgeworfen wurde", warnte SPÖ-Landeschef Hans Niessl gestern im KURIER-Gespräch: "Auch da haben sich viele blenden lassen und zu spät gemerkt, dass das der falsche Weg ist."
Was Niessl unter den Tisch fallen lässt: Auch der Rising Star der Roten ist zumindest ein halber Quereinsteiger. Der heute beliebteste SPÖ-Politiker Hans Peter Doskozil hat das politische Handwerk zwar als Niessls Bürochef gelernt. Sein Potenzial als Spitzenpolitiker wurde aber erst vor zwei Jahren entdeckt. Als burgenländischer Polizeidirektor vermittelte er tagtäglich am TV-Schirm mitten im Chaos der ersten Flüchtlingswelle erfolgreich Gelassenheit und Ordnung.
Nr. 1 beim Anders-Sein ist Kurz nicht zu nehmen
Neue und bekannte Gesichter im grauen Politik-Alltag bieten zweifellos die Chance für eine Bereicherung. Auch das zweite Innovationsprojekt dieser Wahl setzt auf ein Joint venture aus Ich-AG und politischem Start up. Auf der Liste Pilz finden sich freilich null Seitenblicke-Promis, sondern primär Menschen, deren Lebensgeschichte Programm sein soll – von der Alleinerzieherin bis zur Vorzeigeanwältin mit Migrationshintergrund. Die Inflation an Quereinsteigern setzt auch die anderen Parteien unter Druck. SPÖ-Chef Kern ernannte seine halbe Ministerriege nachträglich zu Quereinsteigern. Selbst die Neos, die für Inhalte vor Inszenierung stehen wollen, setzen mit Irmgard Griss auf den Promi-Effekt.
Gestern war Nennschluss beim buntesten österreichweiten Listen-Treiben, das je einer Wahl voranging. Platz 1 ist hier der Liste Kurz nicht mehr zu nehmen. Der jüngste Kanzlerkandidat aller Zeiten will damit auch den Takt für die verbleibenden sieben Wochen vorgeben: Es geht heuer primär um das Wie und nicht um das Was. Motto: Kurz ist anders. Er pflegt (zumindest auf offener Bühne) einen anderen Stil (das Hackelschmeißen erledigen andere für ihn). Er umgibt sich am erfolgreichsten mit anderen Leuten.
Oberstes Gebot ist aber da wie dort: Es gilt zuvorderst den Glanz des Spitzenkandidaten zu mehren. Motto: Seht her, wer aller sich in den Dienst der Sache von Kurz & Co stellt.
Ein Heer von gescheiterten Quereinsteigern beweist: Das geht nur gut, solange die bunt zusammengewürfelte Schar an Individualisten kein unkontrolliertes Eigenleben entwickelt. Dafür spricht vor der Wahl derzeit so gut wie nichts. Damit könnte am 15. Oktober auch diese Rechnung für den kühlen Strategen Sebastian Kurz aufgehen. Denn abgerechnet, was die vielen frisch auf Politiker gestrichenen Promis wirklich bringen, wird erst beim nächsten Mal.
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