Und jetzt bitte ein bisschen Gelassenheit

Wohin der neue Papst die Kirche führt, ist ziemlich offen – es zu wissen, eilt aber auch nicht.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Nirgenwo sonst wird so viel Kaffeesud gelesen, wie von „Vatikanologen“ bei einer Papstwahl.

von Andreas Schwarz

über die Papstwahl

Das Warten hatte ein überraschend schnelles Ende. Und die Wahl des Konklave fiel mindestens ebenso überraschend auf den bescheiden und demütig wirkenden Erzbischof von Buenos Aires, der fortan Papst Franziskus sein wird.

Das wird die Spekulationen der vergangenen Tage und Wochen nicht beenden, im Gegenteil: Ist die schnelle Wahl eine konservative oder ein gutes Zeichen für die Zukunft der katholischen Kirche? Haben sich die Kräfteverhältnisse im Vatikan verschoben? Ist der Bezug auf Franz von Assisi („Baue mein Haus wieder auf, das ganz und gar in Verfall gerät“) programmatisch? Wird der Kurs moderat, volksnah, wo der Jesuit doch als „Kardinal der Armen“ und Verfechter der Gerechtigkeit galt?

Nirgenwo sonst wird so viel Kaffeesud gelesen, wie von „Vatikanologen“ und anderen Beobachtern bei einer Papstwahl (seit neuestem auch bei einem Rücktritt). Hat Benedikt XVI. mit seinem Abgang zeigen wollen, dass auch mit Traditionen zu brechen sei; oder hat er die brennenden Fragen und Skandale nicht mehr heben können/wollen, wie andere zu wissen glauben? Und schon wurde weiter spekuliert: Wer die Favoriten für die Nachfolge sind, ob das Kardinalskollegium zerstritten ist, ob sich die Italiener durchsetzen würden – all das hatte ungefähr die Relevanz der Prognosen von Wettbüros, welchen Namen sich der neue Papst geben würde.

Jetzt steht Franziskus fest. Was noch fest steht ist, dass die Aufgabe, die er zu heben hat, eine der schwierigsten in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche ist.

Der schwierige Spagat

Der bisherige Kurs der Amtskirche in Rom und der seiner Schäfchen klafft weit bis diametral auseinander. Sowohl Benedikt XVI. als auch sein Vorgänger haben von einer Öffnung nichts wissen wollen. Sie haben dem konservativen Lager im Vatikan entsprochen, das schon in der kleinsten Modernisierung die Herausnahme eines Steines sieht, der das gesamte Gebäude der Institution Kirche zusammenstürzen lässt. Im Kirchenvolk dagegen gibt es den Wunsch nach Veränderung. Erst gestern ergab eine Umfrage in Deutschland, dass mehr als 90 Prozent der Katholiken dort ein Ende des Zölibats wünschen. Vermutlich fiele die Antwort auf die Fragen nach dem Umgang mit Wiederverheirateten oder der Rolle der Frauen in der Kirche nicht viel anders aus.

Wie Papst Franziskus den Spagat zwischen dem Beharrungsvermögen der Kirche und der nötigen Anpassung, nicht Anbiederung, an eine sich verändernde Welt bewältigen wird, wohin er die Kirche führt, weiß zur Stunde niemand. Lediglich, dass erstmals ein Lateinamerikaner Papst wurde, zeigt, dass sich die katholische Weltkirche nicht nur aus der europäischen Gefühlslage speist.

Daher wäre jetzt einmal Zeit für ein bisschen Gelassenheit – und für jene freundliche Ruhe, die Franziskus am Mittwochabend auf dem Balkon ausstrahlte, als er die Menge bat, für ihn zu beten. In der 2000-jährigen Geschichte der Kirche kommt es auf ein paar Monate, um zu wissen, wohin sie geht, nicht wirklich an.

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