Tür zu statt Dialog – keine schlaue Politik

Kanzler und Außenminister verstehen sich als Speerspitze gegen die Türkei. Den Stammtisch freut’s.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Es ist nicht gut, was da gerade läuft in der österreichischen Außenpolitik.

von Andreas Schwarz

über Österreich und die Türkei

Es ist nicht gut, was da gerade läuft in der österreichischen Außenpolitik gegenüber der Türkei.

Der Bundeskanzler will einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen der EU mit Ankara. Christian Kern hat seinen Vorstoß, der die Europäische Union völlig unvorbereitet erwischt hat, diese Woche sehr salopp erneuert – er könne "nicht jemanden akzeptieren, der demokratische Standards nicht einhält oder rechtsstaatliche Notwendigkeiten ignoriert", sagte der Kanzler und fügte an, dass ein Nein zu EU-Verhandlungen einen gemeinsamen Weg mit der Türkei in anderen Fragen, etwa Sicherheit, ja nicht ausschließe.

Wie blauäugig das ist, zeigten die wütenden Reaktionen aus Ankara. Und die verstörten aus Brüssel.

Das Verwunderliche an dem Vorstoß des Regierungschefs ist, dass er ihn ganz ohne Not getan hat. Stimmt schon: Die Türkei ist in ihrem gegenwärtigen Zustand und unter ihrer gegenwärtigen Führung nicht beitrittsreif (auch wenn nicht alles so schwarz-weiß ist, wie es gerade gerne gezeichnet wird). Sie war es bisher nie und wird es vermutlich noch sehr lange nicht sein. Aber auch das auszuloten, allenfalls durch Verhandlungen zu ändern, ist der Zweck von ohnedies "ergebnisoffenen" Gesprächen. Es sei denn, man ist der Meinung, dass die Türkei grundsätzlich nicht zu Europa gehört, dass Europa mit dem kleinasiatischen Großstaat überfordert wäre, dass Europa keine Islamisierung über die Beitrittstür will – aber das ist ein ganz anderes, von der EU zugegebenermaßen nie ernsthaft debattiertes Thema.

Ohne Not ist Kerns Vorstoß, weil die Verhandlungen zurzeit ohnehin nicht stattfinden. Und weil niemand daran denkt, weitere Kapitel aufzumachen.

Das Reden vom Scheitern

Der Außenminister unterstützt Kern. Und Sebastian Kurz wird nicht müde, vor der Abhängigkeit zu warnen, in die sich die EU mit dem ohnehin vor dem Scheitern stehenden Flüchtlingspakt begeben habe. Geschenkt, das hat sie. Aber bisher hält der Pakt, wenngleich auf niedrigem Niveau, und ihn totzureden, bevor er tot ist, ist keine ausgefuchste Verhandlungsstrategie.

Der Kern-Kurz-Kurs ist der Innenpolitik geschuldet – nur nicht den Freiheitlichen die Lufthoheit über die Stammtische überlassen – und findet angesichts der tatsächlich wenig demokratischen Entwicklungen in der Türkei nach dem Putschversuch breite Unterstützung – in Österreich. Mehr als zwei Drittel sind laut Umfrage für das profil für ein sofortiges Ende der Beitrittsgespräche.

Das hieße, dem Dialog mit der Türkei, wo immer die gerade steht, alle Türen zuzuwerfen.

Was hat Deutschlands Außenminister zu Österreichs Vorstoß noch gesagt? Er werde "dafür arbeiten, dass sich die Kommunikation mit der Türkei nicht allein auf Megafone, Mikrofone und Kameras beschränkt", sondern über direkte Gespräche erfolgt. Weit mehr als die Hälfte der Deutschen sehen das laut aktueller Umfrage übrigens genauso, nur ein Drittel will ein Ende der Verhandlungen. Es gibt auch schlaue Außenpolitik.

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