Die Sehnsucht nach dem Politiker neu
Anleihen links und rechts, Hauptsache, nicht einordenbar in ein herkömmliches politisches System
"Freue mich über das gute Ergebnis für @EmmanuelMacron. Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!" So hat Martin Schulz nach der Parlamentswahl in Frankreich getwittert, und das überraschend starke Labour-Abschneiden in Großbritannien hat ihn ihm die Hoffnung geweckt, dass auch "alte Männer noch gute Ergebnisse erzielen können, selbst wenn man sie schon abgeschrieben hat". Das ist drollig: Der anfangs als Messias gefeierte SPD-Spitzenkandidat ist von einem guten Ergebnis in Deutschland inzwischen so weit entfernt, wie es sein Vorgänger Sigmar Gabriel war.
Der Grund: Martin Schulz ist, mit kaum erkennbarem Programm, der Politikertyp alt; Jeremy Corbyn und Emmanuel Macron sind, jeder auf seine Art, der Politiker neu. Der Brite wirkt, wie Bernie Sanders in den USA, mit seinen verträumt-linken Sozialthesen wie aus der Zeit gefallen – das gefällt vor allem den Jungen. Der französische Jungstar wiederum nimmt inhaltliche und personelle Anleihen links und rechts, Hauptsache, nicht einordenbar in ein herkömmliches politisches System.
Das verlockt: Auch Christian Kerns "Plan A" war in Wahrheit von allem ein bisschen was, damit jeder mitkann. Und Sebastian Kurz versucht den Macron en miniature, mit der viel propagierten "Öffnung" der Partei, Inhalte müssen erst folgen. Emmanuel Macron freilich hat seine alte Partei schon lange hinter sich gelassen.
Aber auch er muss erst liefern: Sein Durchmarsch an die Macht ist eindrucksvoll, welche Politik er wirklich umsetzt und ob sie akklamiert wird, wird sich erst weisen. Bis dahin kann Martin Schulz vor sich hin träumen – und sich doppelt grämen: Politiker neu ist nicht zwingend nötig für Erfolg, auch Politiker alt, wie Angela Merkel, können noch auf Wahlsiege zumarschieren.
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